San Sequoia

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24.04.2023 23:38 (zuletzt bearbeitet: 01.05.2023 01:44)
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Hausmeister



Ankerpunkt Pier





































Gilbert Park

































Hügel der guten Hoffnung


























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07.11.2023 20:39 (zuletzt bearbeitet: 08.11.2023 23:07)
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<<< Tomasz Kowalski Start <<<

Charaktere: Tomasz / Rick
Geschichtsstrang: Allein nach vorn



oO(„Kippe?“
Tomasz nickt und steckt sich eine an. Er betrachtet die Glut, während er die Zigarette zwischen den Fingern dreht und haucht den Rauch darauf. Sie glüht hell auf bevor sie wieder dunkler wird. „Nur noch ein Jahr.“ stellt Rick fest.
Wieder nickt Tomasz. „Keine Ahnung was ich dann machen soll.“
„Mh. Schwierig.“
„Sie fragen immer was mir spass macht, aber alles was Spass macht kann ich nicht zum Beruf machen.“

Rick nickt verstehend.
„Ich will irgendwas kreatives machen.“
„Zeichnen?“



„Keine Ahnung, ja vielleicht, aber ich bin nicht gut genug. Meine Bilder sind nur gut wenn ich echt Bock hab. Sonst wird immer irgend n unproportionales Gekritzel draus… und selbst wenn, wie soll man von sowas leben können?“
„Mach ein paar Praktika.“
schlägt Tomasz‘ Bruder vor.
„Und was? Mit meinem Abschluss? Ich hab mir Architekt angesehen und Grafiker. Fand ich ganz gut, weiss nicht ob ich das für immer machen würde aber das ist eh egal. Die wollten mich nicht. Hab mich zu dumm angestellt…“
„Weisst du gar nicht.“
„Warum den sonst?“
„Was ist mit dem Verkäuferjob?“
„Alter ich will nicht den ganzen Tag Regale einräumen und die alten Ablaufdaten nach vorn rücken und den ganzen scheiss. Ich will das nicht.“
„Okay!“
„Tattoowieren fänd ich geil aber keine Ahnung. Das ist halt nix was man so in ner Ausbildung lernt… und weiss nicht ob ich den Leuten ihren Kram zeichnen könnte weil ich ja nix hinkrieg wenn mich das Motiv nich reizt.“

„Eine Ausbildung mit anerkanntem Zertifikat ist halt gut für den Anfang. Dann hast du was in der Hand und…“
„…und ich muss es ja nich für immer machen… jaja schon kapiert. Aber Mann…“ Tomasz zieht ein letztes mal an der Kippe und schmeisst sie uns Gras. „Für die anderen Sachen bin ich zu dumm. Da braucht man Abitur oder Matura oder wie das heisst für…“



„Ich wollte auch nie wirklich Polymechaniker lernen…“
„Aber du hast nen Realschulabschluss. Deine Möglichkeiten waren grösser. Ich hab nur Hauptschule wenn ich fertig bin.“
„Ich hab das nur gelernt weil Papa das arbeitet und ich auch nicht weiss was ich sonst tun soll…“

Tomasz vergräbt das Gesicht in den Händen. „Man was mach ich nur…“ seufzt er verzweifelt. Alle scheinen sie Druck zu machen, dass er sich entscheiden muss. Denn er könne ja nicht ‚nichts‘ machen, wenn er aus der Schule kommt. Lücken im Lebenslauf erschweren die Jobsuche und besser irgendwie Geld verdienen als keins.
„Ich treff mich jetz mit Gereon…“ Tomasz wirft einen Blick auf die Uhr und steht auf.)


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08.11.2023 13:28
#3
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<<< Gereon Castillo Start <<<


Charaktere: Tomasz, Gereon
Geschichtsstrang: Pleiten, Pech und Nachhilfe



Am See sieht Tomasz ihn stehen, geht auf ihn zu, denkt kurz darüber nach ihn an den Schultern zu überraschen und lässt den Gedanken fallen. Stumm stellt Tomasz sich neben Gereon und schaut aufs Wasser.
Der Jüngere hält den Blick geradeaus auf den zum großen Teil gefrorenen See. Lediglich in der Mitte ziehen zwei Enten ihre Bahnen, um dort das Wasser in Bewegung zu halten.



"Jetzt streichen sie auch noch die Schwimmstunde am Nachmittag.", berichtet er monoton. "Wegen der Eintrittsgelder." Aus der Jackentasche zieht er seine Zigarettenschachtel und steckt sie sich an.
„F-f-f-and ich s-sowieso scheisse.“ erwiedert Tomasz, bückt sich, hebt einen Stein auf der aus der Schneedecke lugt und wirft ihn auf das Eis. Zufrieden sieht er zu wie er durch die Schicht bricht und versinkt. „W-w-w-war mir gar n-n-nich klar, dass du da g-gern h-hingegst..“
Gereon beobachtet das Tun seines Zimmergenossen. Der Stein bricht die Eisdecke auf und scheucht die Enten davon. "Mir auch nich, glaub ich." Der Teenager zieht flüchtig an der Zigarette, stößt den Qualm aus und schnippt die Asche auf den Schnee. "Erst sagen sie, wir sollen uns Beschäftigung suchen und dann stampfen sie alles ein."



„Vielleicht ha-ha-…“ Tomasz schüttelt den Kopf und wirkt ein bisschen genervt, „Es ist v-vielleicht zu w-weit nach d-d-dem U-umzug.“
"Ist Newcrest denn weit von hier?" der Jüngere schaut ihn offen an. Er ist zu selten im Land unterwegs gewesen, um die Entfernungen einschätzen zu können.
Der Andere zuckt mit den Schultern.
„Ich w-will nicht umziehn…“ sagt Tomasz nach längerem Schweigen. Umzüge bedeuten Veränderung und der Gedanke daran stresst ihn.
„Katja w-will m-m-mich besuchen… d-dann in N-n-ewcrest.“ Das ist nur eine der vielen Veränderungen die auf ihn zukommt. Seine Stimme klingt nicht begeistert und er hebt einen weiteren Stein auf, den er mit dem Schuh ausgescharrt hat, um ihn ins Wasser zu werfen.
"Ist doch cool. Dann siehst sie endlich mal." Gereon lässt den abgerauchten Filter auf den Boden fallen. Der Schnee ist nicht tief, reicht aber aus, um die Glut augenblicklich zu löschen. "So in echt, meine ich. Wie lange seid ihr jetzt zusammen?"
„1 Monat…“ sagt Tomasz und wendet sich um. Er findet es gar nicht cool, denn sie weiss vieles nicht und er will nicht wissen was passiert wenn sies rausfindet.



„Aber n-nur T-text, sie weiss nich d-dass ich st-….“ Dann ermahnt er sich, mit dem Gejammer aufzuhören. „L-lass uns ge-hn…“
Gereon schultert seinen Rucksack. Bis zur Nachhilfe in der Stadt sind es zu Fuß etwas mehr als zehn Minuten. Als sie eintreffen, sind die meisten Schüler bereits vor Ort. Zwei Mädchen bewerfen sich gackernd mit Schnee, während der Rest sich in dem schmucklosen Raum einrichtet.
"Willst noch eine rauchen, bevor wir rein gehen?", fragt der Teenager.
„Jo…“ antwortet Tomasz, zieht seine Schachtel heraus und reicht seinem Freund eine von seinen.
Mit der angezündeten Zigarette lehnt er sich, eine Hand in der Jeans, an die Wand. Er schweigt. Meistens spricht er kaum, weil ihm das Stottern peinlich ist, vor allem wenn andere Leute um ihn herum sind. Obwohl er einen Kurs dagegen besucht, wird es scheinbar nicht besser. Tomasz wünschte, er könnte mit allen so problemlos reden wie mit Rick. Nach einer Weile, bevor der letzte Zug geraucht ist, spricht Tomasz aus, was ihn noch beschäftigt. „A-a-a-am Wochene-e-ende soll n- P-paar kommen…. H-hab gehört sie suchen Ä-ältere… hat d-der K-karde am Te-te-telefon gesagt.“



Neutral schauend hebt Gereon den Kopf an. "Was heißt 'Ältere'?", fragt er, gewohnt monoton. "Die wollen doch sicher keine Teenager haben. Niemand will uns." Seine Gedanken durchstreifen die vagen Erinnerungen an all die Familien, bei denen er war. Alle haben ihn binnen zwei Wochen zurück gebracht. "Und ich will auch keine Familie.", fügt er hinzu. "Ich finde es gut, wie es ist."
„D-die schon. S-sind bestimmt S-sn-sn….“ Tomasz wirft die Kippe weg. Der Gedanke adoptiert zu werden stresst ihn. Wie Gereon findet er es gut wie es ist. „A-als er d-das gesagt hat, ha-hat er m-m-ich s-so komisch a-angesehn u-u-und ist weiter ge-ge-gegangen.“ er richtet sich auf und macht sich bereit rein zu gehen. „G-gefällt m-mir nicht.“



Eines der Mädchen kreischt laut lachend auf und lenkt die Blicke auf sich. Die Andere stopft ihr Schnee ins Oberteil. Mit ausgestreckter Brust verfällt sie ins Hohlkreuz, in der Hoffnung, sie könne der Kälte ausweichen. Es wirkt wie ein abstrakter Tanz, dessen Choreografie schlecht durchdacht ist. Umstehende lachen mit ihr oder grinsen breit. Ausdruckslos betrachtet Gereon das Schauspiel und saugt die Reaktionen der Anderen in sich auf. Wie es sich wohl anfühlen mag, über solche Scherze zu lachen? Er wendet sich ab und folgt Tomasz ins Innere, um seinen Platz einzunehmen.

(in Zisammenarbeit mit @Ripzha )


Tomasz geht nach >>>
Gereon geht nach >>>


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15.11.2023 19:21 (zuletzt bearbeitet: 15.12.2023 16:13)
#4
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<<< Stephen kommt von Windenburg - Neue Wege Klinik (2) <<<
<<< Dennah Delany Start <<<
<<< Boom Boom Start <<<


Charaktere: Boom Bomm, Dennah, Stephen
Geschichtsstrang: San Sequoia Downtown



"Hier. Fang." Dennah wirft ihrer Freundin eine Tüte zu, als sie aus dem Haus kommt.
"Nice.", grinst die Andere. "Haben die was gemerkt?"
"Ach, die sind total zerschossen." Die Jüngere winkt ab mit einem Ausdruck, der die Lächerlichkeit der Frage betont. "Wohin?"
"Lass ma zu den Brücken gehen, Bitch, hab da was aufgestylt für uns."

"Geil. Will ich sehen.", grinst Dennah gespannt und springt in den geparkten Einkaufswagen. "Du bist dran."
Boom Boom packt zu und läuft los, den Wagen vor sich her treibend, bis zu dem Punkt, an dem die Straße bergab verläuft. Jubelnd steigt sie auf die Kistenablage und lehnt sich nach vorn.
"WEG DA!", brüllt Dennah den Fußgängern entgegen, die erschrocken beiseite springen. Viele von ihnen schimpfen den Mädchen hinterher, doch die beiden stören sich nicht daran.
Am Ende der Straße legt Boom Boom ihr Gewicht auf die Hinterräder und bremst mit einem Schuh scharf ab. Der Wagen verliert die Kontrolle und kippt einige Zentimeter zurück. Dennah beugt sich nach vorn, um das Gefährt zu stabilisieren, bis es zum Stehen kommt.
In einer kleinen Gasse parken die Teenager ihren unkonventionellen Schlitten und gehen die letzten Schritte zu Fuß.



Rauchend schlendert Stephen die altbekannten Strassen entlang. Sein altes zu Hause. In der einen Hand eine Tüte mit Socken die Marga ihm gestrickt hat, in der anderen eine Kippe. Es fühlt sich ein bisschen seltsam an, sich wieder hier blicken zu lassen. Als würde die Straße ihn beobachten. Mit langen aber gemütlichen Schritten, die bewusst oder unbewusst träger sind als sonst, kommt er dem Viertel näher in dem er vor dem Ausflug hinter Gitter gewohnt hat. Gewohnt ist das falsche Wort. Gelebt? Auch nicht wirklich wahr. Existiert. Das ist es. Leider war die Prügelei mit dem Tankstellendude vermutlich der Abschnitt des Strassenlebens, der ihm schlussendlich das Leben gerettet hat. So oder so, das behauptet Ramiro und irgendwo versteht Stephen das auch, nur eben nicht... vollständig. Eine Familie wie hier hatte er nie wieder, sagt ihm seine Erinnerung, obwohl sie verwaschen und verschwommen ist. Deshalb hat er Margas Geschenk dabei. Socken sind zwar schlicht, aber etwas unfassbar wichtiges auf der Strasse. Keiner denkt an sowas, wenn er es nicht selbst erlebt hat. Kalte Füße wegen Löchern und Nässe kühlen den ganzen Körper runter. Vor allem im verdammten Winter. Außerdem hat er eine Grund gesucht, um in die alte Gegend zu kommen. Vielleicht will er sich beweisen, dass er die (gute) alte Zeit überwunden hat. Moment. Jetzt klingt er schon wie der Priester. Egal. Jetzt ist er hier, dann kann er auch erledigen weswegen er gekommen ist. Auf seinem Weg begegnen ihm allerhand Sims die er noch nie gesehen hat. Trotzdem glaubt er, dass sie ihn erkennen und denken was früher über ihn gedacht wurde. So senkt er den Blick instinktiv auf den unmittelbaren Beton vor sich.


"... und dann bin ich Nachts zurück und hab dem ein Ei auf den Rasen gel- ... Scheiße, man, guck wo du hin läufst, du Ass- Stephen!" Die Teenagerin tritt ein Stück zurück und mustert den Typen, mit dem sie beinahe zusammen geprallt ist. "Guck mal. Das ist Stephen. Und ich dachte, den hätts dahin gerafft. Alter, siehst gut aus für ne Leiche." Kraftvoll rammt das Mädchen ihre Faust in seinen Oberarm.
Erschrocken hebt Steph den Kopf und will schon ein 'Sorry' murmeln, bricht aber beim ersten Buchstaben ab. In seinem Gesicht bildet sich Erkennen. "Boom!" er muss augenblicklich lachen und langt sofort als Revenge für den Box in die Haare der Kleineren. "Verfickte Scheisse, und Dennah?" Erinnerungen an warme zugedröhnte Sommernächte steigen in ihm hoch. "Ihr seht gut aus." sagt er grinsend, "Hab erwartet euch sieht man bestimmt nur noch Nachts... am Strassenrand."



"Tagsüber haben wir frei.", lacht Dennah herzhaft. "Komm mit,", sie zupft ihm am Ärmel, "wir feiern unser Wiedersehen. Wo warste denn die ganze Zeit?"
"Im Knast." antwortet er und folgt wie selbstverständlich. Ihre Richtung ist seine Richtung. Fast. Aber sie können sich nicht weit von den Orten bewegen an denen seine früheren Freunde existieren. Noch existieren, hoffentlich. "Da war dieser Typ, der meinem Freund Geld geschuldet hat und wir wollten uns die Kohle holen... an der Tanke, an der er arbeitete..." Er zuckt die Schultern. "Shit Happens. Was is mit euch? Das alte Leben? Nix verändert?"
"Scheiße!", entgegnet Dennah.
"Und? Wie oft haste die Seife aufgehoben?", grinst Boom Boom vielsagend.
"Die alte Leier.", zuckt Dennah mit den Schultern. "In der letzten Zeit war sone Tante paar mal da. Jugendamt oder son Quatsch. Hab das nur am Rand mitbekommen."
Stephen schubst Boom Boom an der Schulter zur Seite. „Schnauze. Is kein Spass da, lass dich bloß nie erwischen, klar?“
Er sieht zu Dennah. „Jugendamt….? Uff…“
"Dann warst wohl tatsächlich der Arsch vom Dienst.", lacht die Geflochtene höhnisch. "Ist nicht ganz deine Sache, was?"
"Klappe, Boom!" Dennah rammt ihr einen Ellenbogen in die Rippen. "Was meinste mit 'Uff'?", fragt sie neugierig.



Stephen steckt sich eine neue Kippe an und reicht den Mädels die Schachtel und das Feuer. Er zieht daran und sagt, „Als meine Mutter mich rausgeschmissen hat haben die n scheiss getan um mir zu helfen. Jedes scheiss Amt hat mich weiter geschickt, zum nächsten und zum nächsten und wieder zurück bis ich kein Bock mehr hatte.“ er sieht zu Dennah runter, „Halt dir die vom Leib, das sind miese Wichser. Du hast doch ein zu Hause. Lass dir das nich nehmen.“
"Ja, klar." Dennah nimmt sich eine Zigarette aus der Schachtel und reicht sie weiter an ihre Freundin. "Ich meine, ja, meine Alten sind halt den ganzen Tag breit und so. Aber was denken die denn? Sollen die mir den Arsch abwischen? Ich bin fast siebzehn. Ich kann für mich sorgen."
"Woher kommen die Geier eigentlich plötzlich?", wirft Boom Boom ein. "Ist ja nicht so, als würden die von Hütte zu Hütte laufen und kontrollieren, ob jeder brav seine Pfoten wäscht."
Die Rothaarige zieht die Schultern in den Nacken. "Keine Ahnung. War auch nur Zufall, dass ich das mitbekommen hab."



Gemütlich schlendernd erreichen sie den Raum unter der Brücke.
"Na? Und?" Stolz strahlend leuchtet Boom Boom ihre Freundin an. Mit alten Matratzen, Decken und diversen Polstern hat die Ältere eine Liegewiese zurecht gebastelt, die beinahe gemütlich wirken könnte, wäre diese Ecke nicht ein schmuddeliger Platz unter einer Brücke. Doch dank niedriger Ansprüche, ist Dennah begeistert. "Voll Hammer!" Eine Getränkekasten dient als Tisch, auf dem kleine Kerzen drapiert sind und an der Seite stehen einige Dosen mit Farben. "Willst du noch streichen?", amüsiert sich die Dreadhead.
"Na, damit bemalen wir die Wände, Bitch.", erklärt Boom Boom. "So wie die Steinzeitheinis. Nur in geil."
"Machst mit?", strahlt Dennah Stephen erwartungsvoll an.



„Da wird sich die Familie freuen.“ grinst Steph, „Klar mach ich mit.“ er wirft die Kippe und legt die Tüte weg, bevor er eine der Dosen aufhebt und schüttelt. „Hast dir richtig Mühe gegeben, kennt man gar nich von dir Boom.“
"Halts Maul, ich bin liebenswürdig.", meckert die Geflochtene zurück. "Zeig uns lieber, was du drauf hast, Knasti." Herausfordernd grinst sie ihm entgegen und beobachtet interessiert, was er tut.
„Pass mal auf.“ Stephen schüttelt die Dose weiter und fixiert den Baum. Stellt sich ein Meisterwerk vor. Es erinnert ihn an Abende mit Sully und Adi, die ihn in Sachen Kreativität zwar längst überholt haben, aber das bedeutetet nicht, dass er Vandalismus abgeneigt ist. Mit grosser Überzeugung und selbstsicherem Lächeln beginnt er zu sprühen. Eine auf dem Rücken liegende 3 und zwei Punkte in den Rundungen. „Perfekt.“ sagt er.



"Das nenne ich mal große Kunst.", Dennah klopft ihm lobend auf die Schulter. "Jetzt bin ich dran." Sie wählt die rote Farbe und stellt sich an die große Wand. Die Dreadhead ist keine besonders gute Zeichnerin, doch sie bringt Liebe zum Detail mit. Mühevoll zieht sie eine Linie nach der anderen, so dass sich mehrere offensichtlich rennende Strichmännchen formen. Mit etwas Fantasie und gutem Willen ist zu erkennen, dass sie die von Stephen erwähnte Familie darstellt. Alle halten keulenähnliche Gegenstände in den Händen und jagen irgendetwas hinterher. Dennah nimmt einen Schritt Abstand und betrachtet ihr bisheriges Werk. Zufrieden nickend tauscht sie die rote Farbdose gegen eine blaue. Vor den Jägern zeichnet sie weiter. Kräftige Körper, vier Beine und Hörner. Die Köpfe zieren unförmige Hüte.
Wieder tritt sie zurück und grinst. "Voila."



Boom Boom schaut sich das Werk an und beginnt ebenfalls zu grinsen. "Geil.", nickt sie ihrer Freundin zu.
Stephen beobachtet Dennah grinsend und denkt an die Zeit vor dem Knast zurück. Sie war und ist eine die er zu gern mal flachgelegt hätte. Irgendwie hat Boom das immer zu verhindern gewusst, ob absichtlich oder unabsichtlich weiss er nicht mehr so genau. Mann war er damals oft zu... Er nickt anerkennend und schaut an sein ursprüngliches Vorhaben erinnert auf sein Handy. "Leute, war nice euch wieder zu sehen, aber ich muss jetz los." er hebt die Tasche auf und wirft die Dose zu den anderen zurück. "Soll ich Wrench und Co ausrichten, dass sie hier ne fette Überraschung erwartet?"
"Klar, mach das." Dennah drückt ihn fest an sich. "Tu nix, was ich nicht auch tun würde.", zwinkert sie ihm zu, nachdem sie sich von ihm gelöst hat.
"Cheers, Knasti." Boom Boom winkt ihm zum Abschied zu und schaut ihm hinterher, als er sich auf den Weg macht. "Sieht merkwürdig aus, oder?", wendet sie sich dann an die Dreadhead.
"Du meinst, gesund?", korrigiert die amüsiert grinsend.
Die Farbenfrohe zuckt desinteressiert mit einer Schulter und greift ihrerseits nach einer Farbdose.


(in Zusammenarbeit mit @Ripzha )

>>> Stephen geht nach Mt. Komorebi - Elevate Nachtclub >>>
Dennah geht nach >>> San Sequoia - Haus Familie Delany


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27.11.2023 03:22 (zuletzt bearbeitet: 17.12.2023 01:51)
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Dennah kommt von >>> San Sequoia 12 - Haus Familie Delany

Ort: Einkaufspassagen
Geschichtsstrang: ein ganz normaler Teenager



In der Innenstadt angekommen, verlässt Dennah die U-Bahn. Aufmerksam beobachtet sie die Leute um sich herum, um nach potentiellen Kontrolleuren Ausschau zu halten. Eine teure Ermahnung ist das Letzte, was sie brauchen kann. Zwei Männer mit verdächtigen Umhängetaschen stehen ohne erkennbaren Grund am Ausgang herum, weswegen die Dreadhead beschließt den Umweg durch die Ladenpassage zu nehmen.



Ihr Magen knurrt, als ihr die Aromen unterschiedlicher Stände in die Nase steigen. Jetzt eine fettige Pizza oder ein schmieriger Döner. Der Teenagerin läuft bei dem Gedanken das Wasser im Mund zusammen. Wie so oft hat sie kein Geld und wird sich auf andere Weise etwas beschaffen müssen. Unauffällig am Schaufenster einer Boutique herumlungernd, betrachtet sie die Spiegelungen, die an ihr vorbei ziehen. Ein großer Typ mit Kind an der Hand, jede Menge mehr oder weniger genervt wirkende Hausfrauen, eilende Geschäftsleute, Senioren. Eine alte Dame - Dennah schätzt sie auf gute hundertvierunddreißig Jahre - schlufft mit Tüten beladen den Gang entlang. Bingo. Die Alte im Auge behaltend, schlendert das Mädchen von Schaufenster zu Schaufenster, überholt das Ziel gelegentlich und lässt es wieder an sich vorbeiziehen. Langsam aber stetig nähern sie sich dem Ausgang - und damit der Überwachungsfreien Zone.
Draußen scannt Dennah die Umgebung. Es ist hellichter Tag - was nicht gut ist. Sie ist eine auffällige Erscheinung und wird gegebenenfalls weit rennen müssen.



An den Haltestellen tummeln sich kleinere Trauben, auf ihren Bus wartend, sind die meisten von ihnen in ihre Handys vertieft.
Die Alte steuert auf eine der Gruppen zu. Nicht gut. Zu viele Hände, die eine Diebin ergreifen und festhalten könnten. Andererseits... Dennah schmult auf die Anzeigetafeln. In zwei Minuten wird hier ein schwer durchdringbares Gewusel entstehen. Leute werden eigensinnig aus dem Fahrzeug aussteigen, drängeln und schubsen, weil es eben das ist, was Sims in Eile tun. Dem entgegengesetzt wird die wartende Masse sich in den Bus hineinquetschen. Niemand will der Letzte sein und hat keinen Nerv, auf eine Omi mit hundert Taschen zu achten. Dennah beschließt, die Situation zu nutzen. Sie zückt ihr Handy, tut beschäftigt, während sie sich nah ihrem Opfer zu den Leuten stellt, und behält die Umgebung im Blick.



Kurz darauf ist in der Ferne der Bus zu sehen. Die ersten Sims, die unbedingt einen Sitzplatz erkämpfen wollen, schieben sich nach vorn. Omi wird beiseite gedrängt. Perfekt.
Der Bus kommt zum Stehen, die Traube verdichtet sich. Dennah weicht einen Schritt zurück, als sie bemerkt, dass sich hinter ihr die Lücken schließen.
Die Türen öffnen sich und das Chaos erreicht seinen Höhepunkt. In alle Richtungen schieben sie sich vor und zurück, stehen einander im Weg und niemand schaut auf den nächsten.
Dennahs Herzschlag nimmt Fahrt auf, beginnt Adrenalin durch ihren Körper zu pumpen. Ihre Sinne arbeiten auf Hochtouren. Erst als die ersten Drängler beginnen, sich in den fahrenden Käfig zu wälzen, streckt sie den Arm aus, schlägt blitzschnell zu, reißt an dem Lederriemen der Handtasche - sie spürt den Widerstand der Qualität, reißt fester, bis das Material nachgibt, und rennt.
Raschelnd fallen auch die anderen Taschen zu Boden, der Einkauf poltert auf den Asphalt. Orangen, Äpfel, Kartoffeln und Tomaten kullern den Leuten vor die Füße. Verwunderte und empörte Ausrufe mischen sich in den Straßenlärm. "Passense do auf!", beschwert sich jemand. "Fresse halten helfen.", meckert eine Frau. Jemand tritt auf eine Tomate, rutscht aus, fällt hin und reißt eine weitere Sim um. Während wenige den Stürzenden aufhelfen, bricht in anderen Panik aus, der Bus könnte ohne sie fahren, das Gedrängel nimmt zu, Schimpftiraden werden lauter "Man, ich muss zur Arbeit!" und in all diesem Chaos steht die Alte erzürnt und spuckt Dennah einen unchristlichen Fluch nach dem anderen hinterher. "Verdammte Mistgöre!"



Das Mädchen rennt und rennt. "Elendiges Pack!", hört sie noch hinter sich, als sie Abstand gewinnt. Immer wieder wechselt Dennah die Richtung, biegt in scharfen Kurven in kleinere Gassen und Wege, bis der Straßenlärm nur noch im Hintergrund zu vernehmen ist. Außer Atem gleitet sie in einen langsamen Gang über und schnauft heftig. Ihre Oberschenkel fühlen sich für einen Moment taub an, erst nach einigen Metern schwerfälligen Gehens reagiert die Muskulatur auf die neuen Impulse.
Die Tasche in der Hand hofft sie inständig, dass die Alte nicht alles ausgegeben hat.




***

Ort: Unter der Brücke

Beschwingt durch die erfolgreiche Schicht erreicht Dennah schließlich die Brücke. Die Alte hatte, neben den Bank- und Kreditkarten, einen dicken Batzen Scheine in der Tasche, mit dem das Mädchen durchaus etwas anzufangen weiß.
"Na, da biste ja. Wo warstn so lange?" Der langhaarige Asiate grinst ihr verstrahlt entgegen. "Ham dir schon vermisst." Einladend winkt er die Dreadhead zu sich und Boom Boom.
"Ja, meine Alten ..." Dennah zieht augenrollend eine Schulter in den Nacken. "Aber ich hab uns was mitgebracht." Freudig hält sie einen Blumentopf in die Luft. "Hübsch oder?"
"Kann man die rauchen?", fragt die Freundin unbeeindruckt.



"Kein Plan." Dennah wendet die Pflanze sich selbst zu und betrachtet sie eingängig. "Wäre aber schade drum."
"Wieso? Was ist da so besonders dran?" Unverständnis steht der Geflochtenen ins Gesicht geschrieben.
"Sie gefällt mir. Das ist besonders genug." Vorsichtig stellt die Jüngere den Topf auf dem Boden ab. "Und wehe, sie geht in Flammen auf! Mach mal Platz da." Zwischen den beiden Freunden setzt sie sich ans Feuer, um sich aufzuwärmen. "Die haben meine Nähmaschine verkauft.", erzählt sie mit ausgestreckten Händen und monotoner Mimik. "Ist ja nix Neues, dass die meinen Kram auf den Kopp hauen. Aber grade die Nähmaschine..."



"Warum nimmst nicht meine?"
Dennah schaut ihre Freundin erstaunt an. "Ja, wirklich?"
"Ich benutz das Ding doch sowieso nicht. Ist mir viel zu lästig. Weiß gar nicht, was du daran so toll findest."
Den Mund leicht verkniffen, denkt sich Dennah ihren Teil. Ihre Eltern sind eben keine reichen Affen. Sie könnten ja nicht einmal den Strom bezahlen, wenn sie selbst nicht das Geld dafür zurücklegen würde - und das auch nur, weil ihre Maschine ohne Saft aus der Dose nicht läuft. Mit Booms antiker Nähmaschine allerdings, wäre sie endlich bei ihrem Hobby unabhängig.
"Es ist 'ne gute Beschäftigung, wenn ich in dem Sauhaufen festsitze.", gibt sie zurück, den Blick ins wärmende Feuer richtend.
"Ich hab dir schon tausend mal gesagt, dass du zu mir ziehen kannst. Meine Alten haben da bestimmt nix gegen."



"Lass mal, Boom. Ich kann mir wohl kaum nen Babysitter für die beiden leisten."
"Die brauchen keinen Babysitter, sondern einen Entzug. Oder zwölf."
"Und du brauchst gleich nen Zahnarzt, wenn du nicht die Schnauze hältst."
"Ey, Mädels, chillt mal..." Der Asiate schaut nach oben Richtung Himmel. "Ich frag mich, warum man keine Sterne sieht.", murmelt er nachdenklich.
"Weil das eine Betondecke ist?!" Dennah kann sich ein Kichern nicht verkneifen.
"Man bist du ne Hohlbirne.", lacht auch Boom Boom. "Wie viel hast denn von dem Kram intus?"
"Ich lieb euch total.", säuselt er nur und schaut weiter an die Betondecke.



Kopfschüttelnd wendet die Freundin sich wieder an die Dreadhead. "Ich mach mir nur Sorgen um dich, Bitch."
"Ach,", winkt diese ab, "du weißt, dass ich klar komm."
"Klar kommste klar. Bist ein toughes Miststück. Aber darum gehts nicht."
"Bin ich dein Lieblings-Miststück?", lächelt Dennah der Anderen schief entgegen.



"Mein allerliebstes!" Boom Boom streckt den Arm nach ihr aus und deutet ihr, näher zu kommen. Grinsend krabbelt die Jüngere zu ihr herüber und kuschelt sich in ihren Arm.
"Voll schön.", gibt McRotz verstrahlt von sich und wiegt sich im Takt seiner imaginären Musik.


Dennah, Boom Boom gehen nach >>> Mt. Komorebi - Elevate Nachtclub


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20.12.2023 20:25 (zuletzt bearbeitet: 20.12.2023 23:14)
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Boom und Dennah kommen von >>> Mt. Komorebi


Ort: Unter der Brücke
Charaktere: Boom Boom, Dennah, Saskia, Carsten
Geschichtstrang: Hölle nach der Party



Kopf...schmerz...des...Todes... Welches Arschloch hat ihr Granatsplitter ins Hirn gedrückt?! Der Versuch, die Augen zu öffnen, scheitert. Scheinbar wurden sie zugeklebt. Und ihr Mund ... Wie trockene Erde ... Boom Boom dreht sich auf den Rücken - und wünschte, sie hätte es nicht getan. Die Granatsplitter bohren sich in jeden verdammten Nerv. Das ist die Hölle. Ihr Verstand ist noch im tiefen komatösen Zustand, während der Körper nach Flüssigkeit verlangt. "Wjhfnf.", nuschelt sie, so laut es ihre Kräfte erlauben. Doch nichts geschieht. "Ghuss!" Das war so anstrengend, das muss jemand gehört haben.
Tatsächlich übertönt ihre Stimme nicht einmal das Knistern des Lagerfeuers



Dennah ist auf dem Rückweg zum Unterschlupf. In der Tasche trägt sie zwei Flaschen Wasser und eine Tüte Salzbrezel. Das wird das Einzige sein, was Boom nach dieser Nacht in sich behalten wird - wenn überhaupt etwas drin bleibt. Noch immer verfolgen sie die Bilder aus dem Strip Club. Boom mit blutigen Zähnen, wie ein besessenes Monster. Die Dreadhead ist einiges gewohnt von ihrer Freundin und weiß von dessen Wahnsinn. Aber das war unerwartet heftig. Wieder einmal ist sie froh, auf der Liste der Freunde zu stehen, anstatt auf der der Gegner. Dennah schüttelt den Schauer ab und verdrängt die Gedanken. Was jetzt zählt, ist, dass sie vor den Bullen bis nach Sequoia fliehen konnten. Hoffentlich finden die nicht Booms Identität heraus, denn dann ist diese Stadt kein sicherer Ort mehr für die Mädchen.

Als sie die Brücke erreicht, liegt die Freundin noch immer schlafend am Feuer, doch Dennah bemerkt erleichtert, dass sie sich gedreht hat - ein gutes Zeichen. Neben ihr lässt sie sich nieder und wärmt sich. Die Winterluft ist kalt und ihre Jacke muss erst trocknen, nachdem Dennah Booms Mageninhalt am Fluss ausgespült hat.



Von der Seite erklingt ein schweres Schmatzen. Wimmernd fällt Booms Kopf zur Seite und bleibt reglos liegen, doch schweres Stöhnen verrät, dass sie versucht, zu Bewusstsein zu kommen. Dennah öffnet eine der Flaschen, trinkt einen großen Schluck, bevor sie ihre Hände benässt und Boom damit leicht das Gesicht befeuchtet. Mit zwei Fingern fährt sie die Lippen der Freundin entlang - die Piercings machen es ihr nicht leicht, auf der Spur zu bleiben - während sie liebevoll ihren Namen flüstert.

Die Feuchtigkeit auf den Lippen ist eine Wohltat. Die Entführer sind doch gar nicht so scheiße. Aber sie könnten endlich die Klebestreifen von den Augen entfernen, damit sie sieht, wo sie hingebracht wurde. Vermutlich kommt gleich der Part, an dem sie eine Botschaft für das Weichei von Vater einsprechen soll, um das Lösegeld zu fordern. Da haben die sich aber geschnitten. Sie heißt nicht - "Boom. Hey, Boom, komm schon. Wach auf."
Bitch? Warum ist Bitch hier? Haben die Vollspackos etwa beide entführt? Wie unnötig ist das denn?!
Boom versucht, die Augen zu öffnen, doch mehr als ihren eigenen Wimpernrand erkennt sie nicht. Die Helligkeit, die ihre Pupillen erfassen, lässt die Lider augenblicklich wieder zukneifen.



Dennah lässt von der Älteren ab. Es hat keinen Zweck. Boom ist noch viel zu tief im Rausch. Eine weitere Stunde sei ihr gegönnt. Eine Stunde, in der die Teenagerin den Gewinn der letzten Nacht gründlicher untersucht. Das Wetttrinken hat Boom dieses Mal viel abverlangt. Nie wieder gegen Vampire, notiert das Mädchen im Gedanken und wühlt in dem Haufen herum. Jede Menge Schmuck, Geld, kuriose Gutscheine und ein Handy - ausgeschaltet und ohne Notiz einer PIN-Nummer. 'Naja, macht nichts, McRotz kriegt das schon hin.' Neugierig widmet sie sich den Gutscheinen. Vermutlich wäre kaum etwas Brauchbares dabei gewesen, selbst wenn jemand dran gedacht hätte, Kontaktdaten aufzuschreiben. Dennah schmunzelt beim Entziffern der meist schwer leserlichen Schriften: 'Frisörbesuch für beide', 'beim Kotzen Haare halten', eine Handynummer ohne weitere Nachricht. Kurz überlegend, schiebt Dennah den Zettel in ihre Hosentasche. '1x mushileggn' - na vielen Dank auch. Der Zettel wandert ins Feuer. Eine Zeichnung von einem Mittelfinger, '100 Gelt', 'Ich weis das ihr bescheist'. Eine Augenbraue wandert in die Stirn. Was soll ihr das jetzt sagen? Soll ihr das Angst machen? Oder ist da jemand nur stolz auf sich, weil er das Offensichtliche mitbekommen hat? Schulterzuckend lässt sie einen Zettel nach dem anderen in die Flammen gleiten.
Das Geld steckt sie in ihre Tasche - Boom hat genug davon und wird schon einverstanden sein.



***

Dennah öffnet die Augen. Am Lagerfeuer liegend blinzelt sie in die Flammen. Sie muss eingeschlafen sein und jegliches Zeitgefühl verloren haben. Steif setzt sie sich auf. Ihr gegenüber sitzt Boom Boom an die Betonwand gelehnt. "Bin ich tot?", fragt sie, ohne die Augen zu öffnen.
"Fühlst dich so?"
"Das wär geil."
Dennah schmunzelt. "Hab dir ein paar Sachen besorgt. Willst versuchen, was zu essen?"
Die Türkise stöhnt angeekelt. "Iiiiirggh ... Nächste Woche vielleicht."
Die Dreadhead nickt. Sie selbst möchte auf ein Minimum im Magen nicht verzichten und greift nach der Tüte. So leise wie möglich, aber noch immer laut raschelnd, zieht sie die Brezeln heraus und beginnt, eins nach dem anderen zu verputzen.
"Was hab ichn verpasst?" Boom linst aus einem schmalen Spalt ihrer Augenlider hindurch.
"Kommt drauf an, wann du ausgeschaltet hast."



Boom schweigt. In Gedanken geht sie ihre Erinnerungsfetzen durch. Eine Bar voller Leute, irgendwelche nervigen Tussen auf dem Klo, nackte Möpse, ein Typ namens Winzling, Wettsaufen, ... Schwerlich hebt sie den Kopf an. "... hamwa gewonnen?"
"Nur knapp. Vee war ein harter Brocken."
"Wersn Wie?"
"Deine Gegnerin. Eine Vampirbraut. Rote Haare, leuchtende Augen, spitze Ohren...?" Dennah mustert ihre Freundin erwartungsvoll. An Viola muss sie sich noch erinnern.
"Ah... das Spitzohr.", raunt Boom flüsternd.
"Ja, genau. So hast sie die ganze Zeit genannt." Ein Mundwinkel hebt sich zaghaft. "Du hast ganz schön die Sau raus gelassen.", deutet sie an, als die Andere nichts erwidert.
"Und?" Boom wirkt wenig beeindruckt.
"Wir ... mussten abhauen. Die Cops hätten dich eingesackt."
"Echt??" Freudig aufgeregt hebt Boom den Kopf an, kneift sogleich ächtzend die Augen zu und legt ihn wieder an der Wand ab. "War wohl ne geile Party, he?"
"Geile ...", Dennah bricht mit einem lauten Seufzen ab. "Du hast nem Typen das Ohr abgebissen! Das war mega creepy."
"Gnaaaawww und ich erinner mich nicht mal dran. Das ist so fies ..." Betrübt wischt sich die Ältere mit beiden Händen durchs Gesicht.



"Hab ichs gegessen?" Hinter den Händen klingen ihre Worte hohl und genuschelt.
"Was?? Nein!"
"Sicher? Könnte schwören, mir liegt was quer."
Dennah greift zu einem Stock, um das Lagerfeuer etwas aufzumischen. "Vermutlich liegt das an den hundert Litern Alk. Und zu viel Magensäure. Hast die Bahn voll gekotzt. Wir durften die letzten vier Stationen laufen."
"Klingt scheiße für dich.", stellt Boom trocken fest.
Die Dreadhead hebt den Blick. "Hatte schon geilere Nächte.", nickt sie ernst, bevor sie die Aufmerksamkeit wieder dem Feuer schenkt. "Aber auch miesere.", fügt sie hinzu und spürt, wie sich ein breites Grinsen auf ihr Gesicht stiehlt.




Dennah geht nach >>> San Sequoia - Haus der Delanys
Boom Boom geht nach >>> San Sequoia - Haus S. Schmidt


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30.12.2023 20:02 (zuletzt bearbeitet: 14.01.2024 16:05)
#7
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Dennah kommt von >>> San Sequoia - Haus S. Schmidt
Holger Karde >>> Start



Ort: Waisenhaus San Sequoia
Charaktere: Dennah, Holger Karde
Geschichtsstrang: Kein Knast




Auf dem Flur sind Schritte zu hören. Jemand kommt näher, bleibt vor der Tür stehen, ehe ein dreifaches Klopfen ertönt.
Dennah rutscht tiefer ins Bett hinein, die Arme vor der Brust verschränkt, hat sie nicht vor, die Person herein zu bitten.
Als auch nach dem zweiten Klopfen keine Reaktion kommt, öffnet Holger die Tür vorsichtig einen Spalt und fragt hinein: "Bist du angezogen?"
Dennah zieht eine genervte Grimasse des Unverständnis. Warum sollte sie nackt in diesem Gefängnis herumturnen?! Anstatt zu antworten, gibt sie nur ein lautes Seufzen von sich. Augenrollend dreht sie den Kopf zur Wand, als der Spalt breiter wird und der Heimleiter sich ins Zimmer schiebt. In der Hand hält er ein Tablett aus der Küche, auf dem eine Schüssel mit Obstsalat, ein Teller mit verschiedenen Kuchen und einer mit Nudeln und undefinierbarer Sauce drapiert sind. Auf dem Schreibtisch legt er alles ab, begleitet von der Bitte, sie möge etwas essen, wenn sie schon nicht zu den anderen kommt.



Obwohl ihr Magen vor Hunger bereits krampft, weigert das Mädchen sich, dem Wunsch nachzukommen.
"Na gut, Dennah,", beginnt der streng wirkende Mann, "wir sollten uns unterhalten." Er setzt sich auf den Stuhl und schaut sie aufmerksam an. Als langjähriger Pädagoge ist ihm eine solche Situation nicht fremd.
"Ich verstehe, dass du nicht hier sein willst und ich kann deinen Wunsch akzeptieren, dich hier im Zimmer zu verkriechen. Aber ich möchte dich bitten, ab morgen wenigstens zum Essen zu kommen."
Dennah antwortet nicht. Ihr Blick bleibt grimmig auf die Wand gerichtet.
"Es bringt dir nichts, zu hungern. Damit hilfst du weder dir, noch deinen Eltern."



Beim letzten Wort horcht das Mädchen alarmiert auf. "Wo sind sie?", fragt sie mit deutlicher Unsicherheit in der Stimme.
"Man hat mir gesagt, ich soll nicht mit dir darüber reden.", erklärt Karde. "Aber das halte ich nicht für richtig. Sie sind an einem Ort, wo ihnen geholfen wird. Es geht ihnen den Umständen entsprechend gut und schon bald wirst du sie besuchen können."
"Helfen?" Dennahs Augenbrauen ziehen noch immer tief ins Gesicht und schneiden harte Furchen in die junge Haut.
Ein Hauch von Mitleid liegt im Blick des Erwachsenen. "Du bist hier, weil deine Eltern gerade nicht in der Lage sind, ihre Aufsichtspflicht zu erfüllen."
"Ich brauche keinen Babysitter, ich bin fast siebzehn."
"Was bedeutet, dass du minderjährig bist. Auch wenn dir das nicht gefällt. Als Minderjährige bist du aufsichtspflichtig. Diese Aufgabe, haben jetzt ich und meine Kollegen überommen. Nicht, weil wir dich ärgern wollen, sondern um deinen Eltern die Möglichkeit zu geben, gesund zu werden."




"Aber das ist scheiße!" Tränen steigen Dennah in die Augen. Wieso wird sie wie ein Kleinkind behandelt? Sie ist schon seit vielen Jahren selbstständig und es hat nie jemanden interessiert.
"Ja. Das IST scheiße.", nickt Karde. "Aber es könnte auch schlimmer sein. Das hier ist kein Gefängnis. Du kannst deine Freunde besuchen und so viel draußen sein, wie du möchtest. Solange du um zehn Uhr abends im Zimmer bist, die Schule regelmäßig besuchst und Hausaufgaben machst." Fordernd fixiert der schlanke Mann sie durch die Brille hindurch. Seine Stirn in Falten gelegt macht deutlich, dass er eine Antwort erwartet.
Die Lippen zusammengepresst, grübelt Dennah. Eigentlich klingt das Angebot ganz in Ordnung. Sie hat hier Essen, ein Bett und es ist warm. Niemand liegt auf dem Boden, dessen Puls sie ständig kontrollieren muss.



"Wie oft ist denn Schule?", fragt sie naiv.
"Na, fünf Tage natürlich." Der Heimleiter verkneift sich ein Schmunzeln. Er weiß von den Behörden, dass hier eine notorische Schwänzerin vor ihm sitzt.
"Fünf Tage?" Genervt rollt sie mit den Augen, nickt dann aber widerwillig. "Okay. Ich verspreche aber nicht, dass ich gut darin bin."
"Reine Übungssache." Das Lächeln bricht nun durch die eiserne Mine. Das Eis scheint gebrochen. "Bitte iss etwas und bring danach den Teller runter in die Mensa. Und morgen sehen wir uns dort. Einverstanden?"



Dennah nickt stumm.
Nachdenklich schaut sie ihm hinterher, als er das Zimmer verlässt und bleibt auch noch einige Minuten sitzen, als könnte sie ihn durch die geschlossene Tür hindurch beobachten - bevor sie schließlich vom Bett krabbelt und sich dem Teller widmet.


>>> Dennah geht nach >>> Brindetlon Bay - BBH


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31.12.2023 10:37 (zuletzt bearbeitet: 16.03.2024 20:48)
avatar  Ripzha
#8
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Ort: Waisenhaus San Sequoia
Charaktere: Gereon, Tomasz, ect
Geschichtsstrang: Geburtstag der Hölle




"Haaaappy Biiiirthdaaaay toooo yoooouuuuu....." Klatschen, jubeln, gierig Augen zum Kuchen. Tomasz lächelt gezwungen, weil, was soll man sonst tun, während andere ein Lied für einen singen. Das ist in etwa das dritt peinlichste was es gibt. Dicht gefolgt von einem öffentlichen, ungewollt nasenbetäubendem Furz der Aufmerksamkeit auf einen selbst lenkt und vor anderer Leute kotzen. Tomasz hat nicht das Gefühl, dass die anderen Kinder für ihn singen. Es ist mehr so ein Pflicht-ding. Sie wollen nur den Zucker im Kuchen, was Tomasz zwar verstehen kann, aber es verschleiert ihm den Sinn der Sache. Manchmal würde er den Kuchen einfach nehmen und vom Tisch werfen. Einfach nur um zu sehen was passiert. Ob ihre Augen ihnen dann aus den Köpfen fallen. Aber er lächelt einfach weiter und pustet die siebzehn Kerzen aus. Wieder klatschen. Tomasz richtet sich auf und tritt zur Seite, damit er angeschnitten werden kann.



"Herzlichen Glückwunsch, Tomasz." Inge legt von hinten ihre Arme um den Jungen und drückt ihn kräftig, während eine ihrer Kolleginnen den Kuchen in möglichst gleichmäßig große Teile schneidet.
"Kriegt er auch ein Geschenk?", ruft eine Kinderstimme von weiter weg. "Ich hab zu mein Geburtstag ein Geschenk gekriegt. Kriegt Tom auch eins?"
"Aber natürlich bekommt er eins."
Inge richtet sich auf, nicht ohne der heutigen Hauptperson einmal durchs Haar zu wuscheln.
"Jeder nimmt sich nur ein Stück." Die monotone Anordnung der bewaffneten Erzieherin klingt beinahe gelangweilt, als unzählige kleine und größere Kinderhände ihre Teller vor den Kuchen halten. Tief im Inneren ist sie ganz froh, dass sie bald einen anderen - vermeintlich ruhigeren - Job beginnen wird. Seufzend bringt sie das scharfe Werkzeug weg - nur um sicher zu gehen, dass kein Unfall passiert.



Tomasz tritt zurück und schaut zu wie der Kuchen immer kleiner wird. Er traut sich nicht was zu sagen und kommt auch nicht dazu, als ihm sein Geschenk in die Armegedrückt wird. "Alles Gute, Kumpel." sagt der Heimerzieher Ronald aka Ronny für die 'coolen Kids'. Es ist ein neuer Rucksack für die Schule. "Da ist ein Notizblock drin und ein Buch," er senkt die Stimme, "das ist von mir." er zwinkert vielsagend und richtet sich wieder auf. Tomasz ringt sich erneut ein Lächeln ab. "D-danke.." Er schaut nicht rein, erntet den unabdingbaren Schulterklopfer des grinsenden Erziehers, und sucht in der Menge nach Gereon.



Der Zimmergenosse steht lässig an die Wand gelehnt und beobachtet das chaotische Schauspiel. Bei jedem Geburtstag wiederholt es sich mit fast schon gruseliger Analogie. Viele schätzen diese Aufmerksamkeit, doch Gereon weiß, dass es bei Tomasz ganz und gar nicht der Fall ist. Er schenkt dem Geburtstagskind einen aufmunternden Blick, der besagt, dass das Schlimmste in wenigen Minuten vorbei sein wird.
"So, das reicht jetzt." Die helle Stimme des Heimleiters weht durch den Raum. "Setzt euch bitte alle hin und beruhigt euch."
Nach und nach lichtet sich die Traube und es wird ruhiger in der Mensa.



"Wie ihr alle wisst, steht uns bald ein Umzug bevor.", erklärt Holger. "Es ist zwar noch etwas Zeit, aber ich möchte, dass ihr anfangt, euch Gedanken zu machen, was ihr alles mitnehmen wollt. Ihr MÜSST nichts aussortieren, aber ich KÖNNT. Ein Umzug ist die ideale Gelegenheit, seine Sachen durchzuschauen und sich von Dingen zu trennen. Würde manchen von euch sicherlich gut tun. Ich nenne keine Namen. Alle High-School-Schüler bekommen ein Formular, auf dem ihr bitte angebt, welche Kurse ihr in der neuen Schule belegen wollt. Die Zettel holt ihr bitte innerhalb von zwei Werktagen - also heute oder morgen - in meinem Büro ab, füllt diese aus und gebt sie mir bis zum Ende der Woche - also Freitag - zurück, damit ich sie weiterleiten kann. Alle Klarheiten beseitigt? Wenn ja, warum nicht?" Der Verantwortliche lässt den Blick über die Schützlinge schweifen, doch niemand meldet sich. "Gut, dann genießt den Kuchen. Weiter machen."



Nach der kleinen Ansprache kommt Gereon auf Tomasz zu und setzt sich neben ihn. Sein meist ernster Blick erhellt sich für einen kurzen Moment. "Geschafft.", raunt er dem Großen zu.

Tomasz holt Luft und stösst sie übertrieben, mit aufgeplusterten Wangen wieder auf. Die Lautstärke im Raum schwillt, durch Gespräche wieder etwas mehr an und Tomasz greift nach dem Rucksack zwischen seinen Füssen. Er öffnet den Reißverschluss und schaut hinein. Neben dem Notizblock, einer kleinen Tüte Gummischlangen für 1 Simoleon und einem neuen Radiergummi, liegt das Geschenk von Ronny. Tomasz greift nach dem Buch, zieht es aber nicht ganz heraus. Nur so das er und Gereon den Titel lesen können. Die Kunst des Small Talks: Vom Stolpern über Worte zum Stolz auf Unbeholfenheit.
Als wäre es voller Popel, lässt Tomasz es in den Rucksack zurück fallen und seufzt entnervt. Sein Blick wandert kurz zu dem 'coolen' Betreuer und er wirft ihm einen finsteren Blick zu den er nicht mitbekommt.



Gereon folgt dem Blick. Ronny albert mit den Kleinen herum und ist so vertieft darin, beliebt zu sein, dass er nichts um sich herum bemerkt. Stumm kostet der Teenager von dem Stück Kuchen, das vor ihm auf dem Teller liegt. Schmeckt ganz gut. Etwas trocken. Vielleicht haben sie jetzt auch noch die Butter halbiert. "Wollen wir uns geich diese Zettel holen, von denen Karde sprach?", fragt er kauend. Einen Kommentar über das Geschenk spart er sich. Es war sicherlich ebenso gut gemeint, wie es schlecht ausgewählt ist.



Tomasz nickt und lässt den Rucksack zurück auf den Boden fallen. Jetzt mobben ihn schon die Erzieher. Sein innerstes ist aufgewühlt. Nicht zuletzt weil er wieder an die neue Schule erinnert wird. Neue Schule mit neuen Sims und neuen dämlichen Spitznamen für ihn. Trotzig stochert er den Kuchen zu einem Brei und schiebt den Teller dann weg. "Willst du den nicht?" fragt ihn ein Mädchen mit blonden Zöpfen und Zahnspange. Sie sitzt bereits vor einem leeren Teller und lehnt sich, auf den Unterarmen über den Tisch, bereit die Hand nach dem Kuchen auszustrecken. Tomasz schaut sie an, sieht sich, ihr den Kuchen samt Teller ins sommersprossige Gesicht drücken und schüttelt anschließend, müde lächelnd den Kopf. Er schiebt ihn ihr hin und sie greift danach. "Cool!"
Tomasz schaut Gereon an, dreht sich auf der Sitzbank und steht auf. Den Rucksack schultert er. "K-könn wir gehn?"



Nickend stopft der Jüngere den letzten Bissen in den Mund, steht auf und folgt Tomasz. Auf dem Weg zum Büro schweigen die Jungen. Die Stimmung ist bedrückt und Gereon weiß, dass nichts, was er sagen könnte, helfen würde. Er ist kein großer Redner, vertraut aber darauf, dass seine Anwesenheit Trost genug ist. Vor der Tür des Heimleiters bleiben sie stehen, Gereon klopft und schaut seinen Freund fragend an. "Soll ich schnell allein rein gehen? Dann hast Ruhe."

Froh über das Angebot aber in seinem Stolz verletzt, schüttelt Tomasz den Kopf und nickt gen Tür um ihm zu bedeuten, dass er ihm folgen wird. Außerdem interessiert ihn, ob es Hinweise auf das Telefonat gibt, welches er letztens zufällig mitgehört hat. Es ist immer besser, zu wissen was auf einen zukommt.



Gemeinsam folgen sie der Aufforderung und treten ein. Das Büro wirkt größer als gewöhnlich. Gereon sieht sich kurz um und stellt fest, dass ein Teil der Einrichtung fehlt. Hat Karde schon zu packen begonnen?
"Wir sind wegen der Formulare hier.", widmet er sich dem Erwachsenen.
Der Pädagoge zieht verschiedene Zettel aus den Fächern auf seinem Tisch, erklärt freundlich lächelnd, wie sie auszufüllen sind und will sich schon von den Jungen verabschieden, als er sich auf den Schreibtisch aufstützt und fragt: "Ist alles in Ordnung bei euch? Oder wollt ihr etwas loswerden?"



Tomasz nimmt eins der Blätter und starrt den Heimleiter an. Seine Gedanken formen Wörter, sind neugierig, aber sein Mund bewegt sich nicht und die Gelegenheit verstreicht ungenutzt. Wie so oft. Er schüttelt den Kopf.

"Es ist nichts.", bestätigt der Kleinere.
Karde hält den Blick auf beiden gerichtet. Es ist deutlich zu sehen, dass er ihnen nicht glaubt. "Wie gehts euch mit dem Umzug? Wie sehr beschäftigt euch das?"



Beinahe hilfesuchend schaut Tomasz kurz auf den Zettel, als ob dort die Antwort auf die Frage zu finden ist, und dann zu Gereon. Wie immer wenn ihn jemand 'Fremdes' nach seinen Gedanken fragt, werden sie wie wegeweht und in seinem Kopf herrscht bleierne Stille. Tomasz kann nicht sagen was er denkt und zuckt ein wenig ratlos die Schultern.

"Ich ... wir wollen nicht umziehen. Aber das tut nichts zur Sache, weil es sich eh nicht ändern lässt. Darum ist alles in Ordnung."
Gereon dreht sich zur Tür herum. Die Zettel in der einen, die Klinke bereits in der anderen Hand, verharrt er und schaut noch einmal zum Heimleiter. "Das ist alles, oder?"
Karde steht auf und kommt auf Tomasz zu. "Fast." Er reicht ihm ein Paket, das gerade in den Rucksack hinein passen würde. "Herzlichen Glückwunsch. Das ist von der gesamten Belegschaft."



Unschlüssig ob er das Geschenk hier und jetzt aufmachen soll - das will er eigentlich nicht - sieht er den Leiter an und erkennt den erwartungsvollen Blick. Auf der anderenseite hat er vor einer halben Stunde gelernt, dass es dumm ist sich für ein Geschenk zu bedanken, das man noch gar nicht gesehen hat. Oder? Kurzerhand reisst Tomasz die Verpackung auf und blickt auf ein kompaktes Malset. Bleistifte, bunte Marker, ein Skizzenbuch und eine Anleitung für Zeichentechniken und Skizzenübungen. Wahrscheinlich weil er immer sagt, dass er gern zeichnet obwohl er selber nicht so genau weiss ob das wirklich wahr ist. Er lächelt Karde an. "D-anke. Das ist e-echt cool.." Gespielt erfreut steckt er es in den Rucksack und tritt zurück, bereit das Büro zu verlassen.



Gereon geht schweigend voran. im Zimmer angekommen setzt er sich aufs Bett und studiert die Zettel. In der Kopfzeile ist das Logo der BBH zu sehen, ganz unten steht die Adresse. Der Teenager verlässt das Zimmer und setzt sich an den Gemeinschaftscomputer, der in einem großen Raum auf der Etage steht. Er schmeißt die Suchmaschine an, gibt die Adresse ein und wird fündig, sobald das veraltete Monster die Seite schwerfällig geladen hat. Flüchtig scrollt er über die Site, trifft auf einige interessante Informationen und beschließt, das hier nicht allein zu machen. Mit festen Schritten kommt er ins Zimmer zurück. "Hab die Internetseite von der Schule. Da kann man auch was über die Lehrer und so lesen. Willste?"

Sie kommen ins Zimmer und Tomasz sieht Rick auf seinem Schreibtischstuhl sitzen und warten. Während Gereon raus geht, nimmt Tomasz das Buch aus dem Rucksack. Nicht dass es ihn interessiert…. Er dreht es dennoch um und überfliegt den Klappentext, der mit einem Bild des Autors versehen ist.



Entdecke mit "Die Kunst des Small Talks: Vom Stolpern über Worte zum Stolz auf Unbeholfenheit" von Prof. Maximilian Fitzgerald einen einzigartigen Ansatz für mühelose Kommunikation, speziell konzipiert für Menschen mit Redeflussstörung. Dieses Buch bietet nicht nur einen brillanten Leitfaden für gelungene Konversationen, sondern nimmt dich mit auf eine unterhaltsame Reise durch die Finessen des Small Talks, mit einem besonderen Fokus auf authentische und selbstbewusste Kommunikation.

Über den Autor:
Prof. Maximilian Fitzgerald, angesehener Kommunikationsexperte und selbst betroffen von Redeflussstörung, kombiniert in diesem Werk sein Fachwissen mit einer Prise Humor. Seine einfühlsame Herangehensweise macht "Die Kunst des Small Talks" zu einem inspirierenden Begleiter, der Sims mit Redeflussstörung ermutigt, ihre einzigartige Stimme selbstbewusst in die Welt zu tragen.

Na danke. Ryszard schiebt mit dem Fuss den Blecheimer näher und hält das angezündete Feuerzeug grinsend hoch. Tomasz hat genau dieses Bedürfnis und seine Hand umschliesst sein Feuerzeug in der Tasche. Er ist kurz davor zu tun was ihm vorschwebt, als Gereon zurückkommt und ihn unterbricht. Er nickt zur Antwort, wirft Rick einen Blick zu und lässt das Buch unbeschadet in den Mülleimer fallen. Dann folgt er zum Computer.

Tomasz betrachtet die Seite, liest etwas über eine Renovierung und einen Umzug letztes Jahr und mustert die lächelnden Gesichter der Lehrkörper auf den aufgelisteten Bildern. Er hat den Zettel noch bei sich und legt ihn neben die Tastatur. Darauf wird verlangt ein Kreuz im jeweiligen Fach zu machen. Da Tomasz sich sowieso nicht sicher ist, was ihm am meisten bringt, ist er froh dass Gereon versteht, dass er es gern von den Lehrern abhängig macht.
Simlisch, Sport, Sozialprojekt, Mathe und Psychologie sind Pflichtfächer. „So-so-sozialprojekt?“ fragt er bestürzt.

"Was auch immer das bedeutet.", denkt Gereon laut. "Ich nehme Biologie und Chemie." Zu künstlerischen Tätigkeiten findet er nur schwer Zugang, obwohl ihm immer wieder empfohlen wird, sich Beschäftigungen zu suchen, in denen er seine Emotionen ausdrücken kann. Die Auswahl der Fächer scheint dieser Aufgabe entgegen zu kommen. Ratlos schaut der Teenager die gebotenen Fächer an und empfindet nichts dabei. Es ist ihm schlichtweg egal. Vielleicht sollte er es einfach auslosen. "Den Rest muss ich mir überlegen.", murmelt er, in Gedanken versunken.

Tomasz kommt zum selben Entschluss. Bei Bio, weil er nicht zu der Rektorin in die Klasse will und bei Chemie, weil sie in der jetzigen Schule in Informatik hauptsächlich Tippen lernen und sonst nichts nützliches. Darauf hat er keine Lust. Dieses 10-Fingersystem wird er niemals kapieren. "M-musik u-nd Kochen interessiert m-mich nicht." Nichts wäre schlimmer als wenn darunter Gesangsunterricht fallen würde. Das muss er vermeiden. Und die Lehrerin in Hauswirtschaft wirkt gruselig. Er betrachtet den Zettel. "M-man muss eins von v-v-vier Projekten wählen." sagt er konzentriert, "Op-tional z-z-zwei."

"Dann gehen wir doch zusammen in Kunst.", schlägt der Jüngere vor. Hauswirtschaft steht Recht gegenüber. "Von mir aus auch das." Sein Finger deutet auf dem kleinen Feld auf dem Blatt. "Was meinst? Recht ist bestimmt trocken. Mich stört das nicht so."

Die Auswahl ist hart. Trockene Theorie oder ... kochen. Tomasz kann mit Lebensmitteln nichts anfangen. "M-mich auch nich..." sagt er. Er betrachtet die Kunstseite. Es gibt keine feste Lehrkraft, was bedeutet das eine Aushilfe eingestellt worden sein muss. Es gibt zwei Möglichkeiten wenn die Lehrperson durch eine Festangestellte ersetzt wird. Es wird schlimmer oder besser. Das Risiko ist es wohl wert. Außerdem zeichnet er ganz gern... manchmal... redet er sich das etwa ein oder warum sagt er sich das ständig? Was ihn zu den Projekten zurück bringt. Wallart, Dramaclub, Schulband oder Garten. "Was n-n-nimmst du da?" er tippt auf die vier Themen.

Stumm zieht Gereon die Schultern an. "Ist mir alles kein Bedürfnis."

Der grundlegende Unterschied zwischen beiden. Wo Gereon kein Interesse hat, hat Tomasz zu viele und kann sich nicht entscheiden. Deswegen kommen sie auch so gut klar. Am ende verurteilt keiner den anderen weil er keine Ahnung hat. Stumm macht Tomasz sein Kreuz bei Wallart. Bleibt nur noch Spanisch oder fremde Kulturen. Der ältere stösst Luft aus und schüttelt den Kopf. Sein Blick wandert zu den Lehrern auf dem Bildschirm. Eine Meerfrau oder ein spanischer Anwalt. Ratlos richtet Tomasz sich auf. "W-wirf einfach deine M-münze..."

Gereon greift in seine Hosentasche und zieht die Münze hervor, die er immer bei sich trägt. Seit Monaten lässt er das Kupfer entscheiden, wenn er es nicht kann. Gekonnt schnippt er das Geldstück in die Luft, fängt es auf und klatscht es auf den Handrücken. "Zahl - Spanisch, Kopf - Kulturen.", sagt er, bevor er die Münze aufdeckt. "Spanisch."

Tomasz macht sein Kreuz. "D-dann ist das e-erledigt." Unsicher ob er zufrieden ist, faltet er das Papier und steckt es ein. Er schaut zum Zimmer. "Packen?"



Der Jüngere nickt, fährt den Computer in den Ruhezustand und steht auf. Später wird er sich über Newcrest informieren. Er folgt dem Zimmergenossen und schließt die Tür hinter sich. In der Mitte des Raumes stehend, schaut er sich um. Wie beginnt man so etwas? Wie entscheidet man, was man noch braucht und was nicht? Seine Hand in der Hosentasche lässt die Münze zwischen den Fingern hin und her wandern.

Tomasz stellt sich an den Schreibtisch und Rick rollt mit dem Stuhl zur Seite. Er betrachtet das ungern gesehene Chaos darauf und ihm vergeht die Lust aufzuräumen. Am besten einfach nichts mitnehmen und das Packen umgehen. Was hat er schon wichtiges. "Wenn du nur drei Dinge behalten dürftest, welche wären das?" fragt Rick in den Raum. Tomasz schaut auf die Tischfläche und dann fragend zu Gereon.



"Das Foto deiner Familie nimmst du doch sicher mit. Oder?" Der Jüngere versucht, seine Gedanken zu sortieren. Was würden wohl andere behalten? Die alte Fotografie seiner Mutter steckt in dem kleinen Notizheft. Das muss ebenfalls mit. Aber das nimmt keinen Platz in Anspruch. Gibt es im neuen Haus ein Basketballfeld? Und was ist mit einem Ball? Hier nutzen alle gemeinsam Dinge dieser Art. Wird es in Newcrest auch so sein? Gereon kratzt sich am Hinterkopf. Er muss feststellen, dass er mit dieser Aufgabe überfordert ist. Warum überhaupt aussortieren? Werden sie weniger Platz haben?

Tomasz Blick schwenkt zu dem Bild wo sie zu viert in die Kamera lächeln. Tomasz ist da grade acht Jahre alt. Ein anderes hat er nicht. Ihn überkommt ein seltsames Tatendranggefühl was Jetzt oder nie schreit und er geht raus in den Flur, schnappt sich vier gefaltete Kartons die schon bereit liegen für alle und bringt sie ins Zimmer zurück. Er faltet zwei auseinander. "B-behalten. W-wegwerfen." sagt er und zeigt auf jeweils einen. Zurück am Schreibtisch greift er willkürlich nach Dingen.
Stiftehalter - behalten.
Die Stifte darin - weg - er hat ja jetzt neue.
Diverse Zettel mit gekrizelt - weg.
Foto der Familie - behalten.
Schachtel mit Muscheln - woher hat er die nochmal? Ein Geschenk? - Egal, weg.
Ein Stapel CDs - Tomasz zögert, schon länger hört er nichts mehr von einem CD-Player... - weg.
CD-Player - weg.
Ordner mit Schulkram - braucht er das noch oder gibt es in der BBH neues Zeug? Hin und her gerissen legt er die Sachen in den Behalten-Karton.
Schnell leert sich der Schreibtisch und zurück bleibt ein unpersönliches Skelett. Zufrieden schaut er sein Werk an. "Tut gut Entscheidungen durchzuziehen, was?" sagt Rick amüsiert. Tomasz sagt nur, "H-hoffentlich b-bereu ich das n-nicht."

Erstaunt beobachtet Gereon den Älteren bei seinem Werk. "Das sah jetzt erstaunlich einfach aus.", kommentiert er, als Tomasz fertig ist.



Er denkt darüber nach und zuckt die Schultern. "D-der Trick i-ist wohl, alles... e-e-einzeln zu b-bewerten..." Die Energie die er beim Anfangen verspürt hat lässt nach und er dreht sich zu seinem Kleiderschrank um. Er öffnet ihn und der Enthusiasmus verfliegt ganz.

Einzeln bewerten. Noch immer tanzt die Münze zwischen den Fnigerspitzen des Jüngeren. Mit der freien Hand hebt er den Schlapphut an, kratzt sich an der Schädeldecke und setzt den Deckel wieder auf. Viele Besitztümer hat er nicht angesammelt - zu den meisten hat er so gut wie kein Verhältnis. Würde das bedeuten, dass er nichts von dem Zeug mitnimmt? Unsicher beginnt er, das spärrlich gefüllte Regal auszuräumen. Ein paar Bücher, die längst Staub angesetzt haben, eine vertrocknete Pflanze und ein gehäkeltes ... Tier? Ein Geschenk seiner ersten Pflegefamilie. Das Ding in der Hand hin und her wendend schaut er es an. Auf der Unterseite hat irgendjemand ein Loch in die Wolle gefressen, so dass die wattigen Gedärme herausquillen. "Erinnerst du dich an deine erste Pflegestelle?", fragt er Tomasz, während der Blick auf dem zerlumpten Was-auch-immer ruht.

"Ja..." sagt Tomasz beklommen und schliesst den Schrank wieder. "Die erste vergisst man nie." scherzt Rick.
Mit 10 kam Tomasz zum ersten Mal zu neuen Eltern, die dachten sie kriegen das hin, dass er sich öffnet. Er hatte sich grade an das Waisenhaus gewöhnt, als er schon wieder von dort weg musste und sprach kaum ein Wort. So lange bis sie die Geduld verloren und ihm das Gefühl gaben 'falsch' zu sein. Obwohl er noch klein war, hat er ziemlich genau gemerkt, dass sie ihn nicht so behandeln, wie er es sich wünschen würde.
Mit 11 war er schon wieder zurück.
Er setzt sich aufs Bett und stottert die Kurzfassung. "K-keiner w-will jemanden der n-n-n-... so redet wie ich..." So wars immer und wirds immer bleiben. Einschließlich Katja.



"Ich rede nicht so." Gereon kommt näher und bleibt vor den Kartons stehen. "Und mich will auch keiner." Unberührt lässt er das Erinnerungsstück in die Wegwerf-Kiste fallen. "Und mich stört nicht, dass du stotterst." Er geht zurück zum Regal. "Ich weiß, das ist kein Trost. Aber trotzdem wahr." Kurzerhand greift er zum Papierkorb, hält ihn an das Fach mit dem Krims-Krams und schiebt mit der freien Hand alles hinein. Er braucht das ganze Zeug nicht.

Schade das Tomasz ein warmes, leicht überforderndes Gefühl überkommt, und er nicht weiss was er darauf reagieren soll. Er lenkt sich selber ab in dem er seine Aufmerksamkeit auf Gereons Tun lenkt. All die Sachen die in den Müll wandern. Darunter eine kleine Figur. Ein Überbleibsel von dem Tag als das Heim den Kids jedem ein Ü-ei kredenzt hat. Wann war das? An einem Geburtstag? Gabs was zu feiern? Tomasz erinnert sich nur, das das Thema der Eier Disney Figuren war und er diese komische kochende Ratte gezogen hatte. Er hat keine Ahnung von diesen Filmen. Seit Jahren geht er nicht mehr Filme schauen wenn das Waisenhaus einen Abend dafür veranstaltet und nutzte die Zeit zum zocken. Wobei er Katja kennen lernte. Es war zwar eine Tortour mit den Schrottkisten vom Heim aber mit Geduld gings.
Er steht auf und greift in den Papierkorb um die weisse Katze von den Aristocats herauszufischen. „K-k-kann ich die h-haben?“



Etwas zu lang, um den Eindruck zu erwecken, es sei ihm egal, schaut der Jüngere auf den kleinen Gegenstand zwischen Tomasz' Fingern. Dabei bedeutet ihm das Objekt ebenso wenig, wie ein leeres Stück Papier - wobei man das wenigstens für etwas benutzen könnte.
"Klar." Desinteressiert dreht er dem Zimmerkompanen den Rücken zu und widmet sich dem Nachttisch. In der Schublade befindet sich seine Tablettenbox - auf die wird er nicht verzichten können - und zwei Aufladekabel. Das des MP3-Players und das des Handys. "Was hast damit vor?", nimmt er den Faden der weißen Katze wieder auf, nimmt den Player samt Kabel in die Hand und wirft beides geschickt in den Karton.
Die Schublade ist fertig, also geht er zum Kleiderschrank und wirft einen Blick hinein.

Tomasz betrachtet die kleine Katze. "Katja m-mag den F-Film." meint er nachdenklich. Wenn sie wirklich nach Newcrest kommt und sie ihn widererwartend nicht zurückweist, schenkt er ihr die. Weil... was hat er sonst anzubieten? Er sieht in seine Behalten-Box. Darin ist rein gar nichts nützliches, obwohl er es behalten will. Und seine Persönlichkeit? Nun...die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder?



Er steckt die Katze in die Hosentasche wo er die Schachtel Kippen fühlt. In dem Moment steht Rick von seinem Stuhl auf und geht Richtung Tür, selbst schon eine Zigarette zwischen den Lippen. "Ich brauch ne Pause. Gehn wir eine rauchen, ok?" Die Hand an der Klinke dreht er sich zu beiden um und Tomasz wendet sich zu Gereon.

Der Dunkelhaarige lässt nickend die Schranktür zu fallen und folgt nach draußen.

(In Zusammenarbeit mit @RivaBabylon)

>>> Ryszard geht nach >>> Windenburg - Eventhalle


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01.01.2024 12:38 (zuletzt bearbeitet: 01.02.2024 16:16)
#9
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Charaktere: Gereon, Holger
Ort: Waisenhaus San Sequoia
Geschichtsstrang: Deren kleine Farm



Ausgelassen toben die Kinder im Garten herum, spielen Fangen, springen Seil oder malen Figuren in die dünne Schneedecke. Einige Meter entfernt diskutieren drei der Älteren über irgendetwas, das, Gereons Ansicht nach, keinen Sinn ergibt. Selbst in Gedanken versunken, dringt nur hin und wieder ein Fetzen der Unterhaltung an sein Ohr. Ein Bein angewinkelt, an der Hauswand angelehnt, ist seine Zigarette beinahe aufgeraucht. Den Blick auf die Jüngeren gerichtet, wirkt es beinahe so, als fühlte er sich berufen, Acht auf sie zu geben und, falls nötig, einzugreifen.



Die zuständige Erzieherin begrüßt die augenscheinliche Unterstützung. Seit das Personal gekürzt werden musste, haben nur drei Pädagogen die Verantwortung für beinahe einhundert Schutzbefohlene.

"Gereon?"
Der Teenager schaut über die Schulter nach hinten und erblickt das Gesicht des Heimleiters in der Tür.
"Ich würde gerne mal mit dir reden. Hast du einen Moment?"
Der Junge stellt den zweiten Fuß auf den Boden und richtet sich auf. Er hat Momente im Überfluss. Es sind Ferien, seine Haushaltspflichten sind bereits erledigt und seine sogenannten Hobbies langweilen ihn auf Dauer.
Die freie Hand in der Hosentasche, tanzt die Münze zwischen seinen Fingern hin und her.
"Ich habe mit den Kollegen über deine Unterlagen gesprochen.", beginnt Karde. "Die Formulare für die Brindleton High." Er mustert Gereon aufmerksam, während er vergeblich auf eine Reaktion wartet. "Wir sind der Meinung, dass du dich mehr kreativen Fächern widmen solltest."



Noch immer keine Reaktion.
"Dadurch erhoffen wir uns Fortschritte in deiner emotionalen Findung."
"Muss ich das machen?", fragt der Teenager ausdruckslos.
"Nein, du musst nicht. Es ist eine Empfehlung."
"Okay." Gereon zuckt gleichgültig mit einer Schulter. "Ich denk drüber nach."
"Komm einfach zu mir, wenn du dich entschieden hast.", nickt der Erwachsene und will schon gehen, als Gereon ihn aufhält: "Herr Karde?"
Der Ältere schaut ihn fragend an.
"Stimmt es? Dass ein Paar herkommt, um einen Teenager zu suchen?"
"So ist es."



Tomasz hatte also richtig verstanden. Aber was bedeutet das? Käme einer der beiden in Frage? Die Jungen sind schon so viele Jahre Zimmergenossen, dass der Gedanke, von dem Anderen getrennt zu leben, fehlerhaft wirkt. Beide sind im Heim aufgewachsen. Dies ist ihr zu Hause - ihre Familie.
"Macht dir das Sorgen?" Karde unterbricht die Gedanken des Jungen. Gereon schüttelt stumm den Kopf. Es ist unwahrscheinlich, dass einer von ihnen gewählt wird. Unter einhundert Mitstreitern gäbe es mindestens neunundneunzig beliebtere als sie es sind.
Der Ausdruck des Heimleiters verändert sich von erwartungsvoll zu betroffen. Jedes Mal, wenn Gereon den Anschein macht, als würde ihn etwas emotional berühren, folgt darauf die Resignation, dass der Eindruck täuschte. Er muss unbedingt für den Jungen einen Platz bei der Therapeutin bekommen. Ihre Erfolgsquote ist vielversprechend. Das könnte Gereons letzte Chance sein, Zugang zu sich selbst zu finden.
"Sie leben auf einer Farm im Norden. Samstag werden sie hier sein."



Eine Farm, wiederholt der Teenager im Gedanken. Sie suchen also eine billige Hilfskraft. Jemanden, den sie unentgeltlich schuften lassen können. Schlaue Bastarde.
"Müssen wir dabei sein?", will Gereon wissen. "Die nehmen uns doch sowieso nicht."
Karde lächelt freundlich, doch sein Blick macht deutlich, dass er darüber nicht diskutieren wird. "Ich erwarte jeden zwischen vierzehn und siebzehn Jahren. Anständige Kleidung und frisch gewaschen. Ihr kennt die Regeln."
Gereon nickt gehorsam. Er würde sich niemals gegen den Heimleiter auflehnen. In den langen Jahren hat Karde schon oft bewiesen, dass man ihm trauen kann.


>>> Gereon geht nach >>> Brindelton Bay - BBH
>>> Holger geht nach >>> Newcrest Nr. 13 - Waisenhaus Heimathafen


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14.09.2024 15:40 (zuletzt bearbeitet: 15.12.2024 01:43)
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Textmagier

<<< Stephen Schmitt kommt von Windenburg - Neue Wege Klinik (2) <<<

Charaktere: Stephen / Nick
Geschichtsstrang: Stephs Problem




Der Geruch von Abgasen, der über die Stadt weht, bringt Steph Erinnerungen zurück – aber keine klaren. Nur Bruchstücke, wie abgerissene Fetzen, die ihm entgleiten, sobald er versucht, sie zu greifen.
Es fühlt sich surreal an, wieder hier zu sein - jedesmal wenn er hier ist - in dieser Stadt, die er vor etwas mehr als einem Jahr hinter sich gelassen hatte. Die Straßen sind immer noch so schmutzig wie damals, die Ecken voller Graffiti, und der Geruch von billigem Fast Food hängt in der Luft.
Er bleibt vor einem kleinen Café stehen, dessen Fenster von innen beschlagen sind. Hier hatten sie früher manchmal gesessen, er, Nick, und die anderen. Vor drei Jahren war das hier sein ganzes Leben gewesen. Jetzt scheint es so weit weg, dass er sich kaum noch erinnern kann, wie es damals war. Oder vielleicht will er das nicht.



Er bleibt kurz stehen, zieht sein Handy aus der Tasche und überprüft die Nachricht von Nick. Treffpunkt: die alte Lagerhalle.
Als Steph dort ankommt, lehnt der Freund lässig an einer Wand, eine Zigarette im Mund. Bis auf die Haare sieht er aus, als wäre er nie weg gewesen, als hätte er in all den Jahren hier gestanden und gewartet.
„Steph,“ murmelt Nick und hebt den Kopf leicht zur Begrüßung. „Willkommen zurück im Dreck.“
Der Jüngere bleibt ein paar Schritte von Nick entfernt stehen, lächelt. Der Geruch von Nikotin weht ihm entgegen, als Nick genüsslich an seiner Zigarette zieht. Kein großes Hallo, kein Drama. Als wäre nie Zeit vergangen.
„Lange her,“ murmelt Nick. Er stößt sich von der Wand ab und reicht ihm eine Kippe. Steph nimmt sie, zündet sie an und zieht tief. Der Rauch kratzt in seiner Kehle, und er denkt an all das, was sich in den letzten Wochen überschlagen hat – Lyn, die Anzeige, das Chaos in seinem Kopf. "Ziemlich."
Nick winkt seinen Freund mit sich. "Komm... fang klein an."



Sie gehen, bei Tag wirkt die Stadt immer noch fremdartiger. Steph fühlt, wie sich die Erinnerungen wie Schneeflocken um ihn legen – langsam, stückweise, flüchtig. Sie sind da, aber schmelzen sofort dahin.
Auf den Straßen ist es stiller als früher, aber die heruntergekommenen Ecken der Stadt haben sich nicht groß verändert. Die gleichen kaputten Häuser, die gleichen grauen Straßen. Nur... er ist hier nicht mehr zu Hause.
„Weißt du noch, als wir hier immer abgehangen haben?“ Nick bricht das Schweigen, während sie an einem verlassenen Park vorbeigehen. „Haben geraucht, gelabert, den ganzen Scheiß.“
Steph nickt, ohne viel zu sagen. Er erinnert sich an die Nächte hier, die rauen Gespräche, das Gefühl, nichts zu verlieren zu haben. Aber es fühlt sich an, als wäre es ein anderes Leben gewesen. Sie biegen um eine Ecke und erreichen einen verlassenen Laden, der seit Jahren leersteht.
„Hier war doch der Spot, oder?“ Nick deutet auf den Eingang. „Lyn war auch oft hier, saß still rum, hat zugehört, aber nie richtig mitgemacht.“



Steph runzelt die Stirn, als er das Gebäude ansieht. „Möglich...“
Plötzlich flackern die ersten Bilder in seinem Kopf auf. Er sieht sich selbst und Lyn im Laden sitzen, die anderen um sie herum. Er erinnert sich an das Licht, das durch die kaputten Fenster fiel. Lyn starrte ihn an, aber er war high. Ihre Augen... irgendwas darin hat ihn irritiert.
"War ne irre Zeit,“ murmelt Nick, während er den Rauch ausbläst. Steph zieht angestrengt die Brauen zusammen, als er sich an Lyn erinnert.. „Ja... ich glaube... ich dachte immer, wir... weißt schon.“ Er hebt die Faust auf Mundhöhe und drückt mit der Zunge gegen die Innenseite seiner Wange.
Skeptisch wendet Nick den Kopf. „Du denkst, du hast mit Lyn was gehabt?“
Zögernd antwortet er. „Ja, ich nehms an.“
Nick schnaubt und zieht noch mal an seiner Zigarette, bevor er den Stummel auf den Boden wirft und mit dem Fuß austritt. „Nee, Mann, so war das nicht. Ihr habt nicht gevögelt.“



„Wirklich nicht?“
überrascht starrt er den Älteren an.
Dieser schüttelt den Kopf und lacht leise. „Du hast sie nie angefasst. Warst du irgendwie nicht so scharf drauf..“
"Wie...?" Irritiert sieht Steph ihn an, hatte angenommen, dass Lyn einfach eine von vielen war, die er in seinem Leben verbraucht und dann vergessen hatte.
„Scheiße, Mann... das macht keinen Sinn.“ sagt er. „Ich hab gedacht, sie wäre wütend, weil ich sie auf die Art hängen gelassen hab.... Aber wenn da nie was war...“
Nick schaut ihn an. „Da war nichts, was du hättest hängen lassen können. Aber... sie war schon immer irgendwie anders, hast du das nie gecheckt?“
Steph sieht zu Boden, die Worte dringen nur langsam durch. „Vielleicht hat sie sich mehr vorgestellt,“ murmelt er, ohne zu wissen, warum er das sagt. „Und jetzt gibt sie mir die Schuld dafür, dass nichts passiert ist.“ Erklärt das, warum sie ihm die Hand aufs Bein gelegt hat, als sie wollte, dass er mit ihr den Muskatnuss klaut? Kommt ihm komisch vor und er schüttelt den Kopf. Er hätte doch so eine Chance nicht verstreichen lassen. "Das macht echt keinen Sinn. Du kennst mich und Lyn ist heiß, hat sie mich nich gelassen? Woher weisst du das so genau?"



„Ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll,“ beginnt Nick und bläst langsam den Rauch einer weiteren Zigarette aus, „du warst nie der Typ, der sich um solche Sachen geschert hat. Es ist als ob Lyn giftig war, oder sowas...“
irritiert sieht Steph ihn an. "Versteh ich nicht. Was?..."
Nick hebt die Schultern und lässt sie dort für ein paar Sekunden. "Wenn ich sage, dass sie anders war, dann mein ich das auch so. Sie hat nicht zu uns gepasst, war clean, hat nicht mal geraucht, im Gegenteil. Sie war diejenige die am liebsten wollte, dass du mit allem aufhörst." Er grinst verschmitzt, "Ich dachte immer, Junge, die hat Eier hier wegen dem Stoff rumzumeckern wobei..." er überlegt, seine Augen wandern nach oben, "Gemeckert hat sie nicht. Nicht so richtig. Ohne Mist, sie war verfickt seltsam."
"Wieso ich?" denkt Steph laut und sein Gegenüber zuckt die Achseln, als wisse er noch nicht wie er antworten muss, damit sein Freund es versteht.



Es dauert nicht lang und die beiden stehen vor einer alten Mauer, die sich am Rande eines verlassenen Parkplatzes erhebt. Die Ziegel sind vom Wetter verwittert, bröckeln an manchen Stellen und Unkraut wuchert dazwischen. Der Ort sieht genauso aus wie vor drei Jahren.
Steph setzt sich auf die Mauer, dieselbe Mauer, dieselbe Stadt, drei Jahre später. Aber er hat das Gefühl, als wäre er weit entfernt von dem Jungen, der damals hier saß.
„Du hast gesagt, hier hast du sie kennengelernt, weißt du das noch?“ Nick bricht das Schweigen, seine rauhe Stimme klingt wie immer abgeklärt, fast gleichgültig.



Steph nickt. „Ja... Ich erinnere mich. Ich saß hier, auf dieser Mauer, allein. War nicht mal high an dem Tag. Oder vielleicht war ich am Runterkommen....“ Er reibt sich die Stirn, als wolle er die Erinnerungen klarer machen, aber sie bleiben bruchstückhaft. Nachdenklich schaut er zu den Ziegeln unter ihm. „Sie kam einfach so... hat sich neben mich gesetzt. Keine Ahnung warum." er überlegt. „Sag mal... gab’s mal irgendjemand, mit dem ich was hatte, während Lyn dabei war? Irgendwas, das du gesehen hast?“
Zögernd bläst Nick den Rauch seiner Zigarette aus und wirft seinem Freund einen schrägen Blick zu. „Du hattest dauernd was am Laufen, aber ich weiß doch nicht mehr mit wem. Du warst ja nicht grade wählerisch.“
Steph verdreht die Augen. „Ja, schon klar. Ich mein, hat Lyn mich gesehen oder hat sie was gesagt, wenn ich mit ner anderen abhing?“



Nick kratzt sich am Kinn, denkt kurz nach. „Lyn war damals zwar irgendwie hinter dir her, aber nicht auf die Art, wie du es gewohnt warst. Es war nicht immer so offensichtlich. Ich weiß noch, wie sie dir mal ne Jacke gegeben hat, als du total abgefroren warst. Sie hat dich immer im Blick gehabt.“
Rauchend hört Steph zu. „Und ich?“
Achselzuckend sagt Nick, „Also... war dir halt egal, glaub ich. Das war nicht dein Problem. Weißt du, was mir hängen geblieben ist? Ihr habt euch nicht gestritten, als du mal sagtest, dass sie nicht ganz dicht ist, da war ich überzeugt, dass es richtig abgeht.“
Steph sieht zu ihm auf, runzelt die Stirn. „Aha?“



Nick nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Weil sie irgendwas Komisches gesagt hat. Keine Ahnung, was es genau war. Du warst genervt und hast ihr das ins Gesicht gesagt. Irgendwie hast du sie damit geknackt.“
Die Stirn in Falten legend fragt Steph. „Und dann? Was hat sie gemacht?“
Nicks Augen wirken nachdenklich. „Nichts. Sie hat dich einfach nur angeschaut, so richtig seltsam. Sie hat nicht geflucht oder geweint. Das fand ich strange.“
Steph spürt ein kaltes Kribbeln den Rücken hinunter.
Nick nickt, wie um sich seine Erinnerung zu bestätigen. „Es war nicht so, dass du sie provozieren wolltest. Es war einfach nur, als würdest du sagen, dass es dir egal ist. Weisst wie ich mein? Ich glaub sie hat es gehasst wenn dir Dinge egal waren."
Der Jüngere grübelt, versucht, das Bild in seinem Kopf zu fassen, aber es ist alles so verdammt weit weg. "Warum erinnerst du dich ausgerechnet an das?"



Mit krausgezogener Nase überlegt Nick. "Schwer zu sagen. Weil sie einfach allgemein komisch war. Sie war nur wegen dir bei uns und ganz sicher nicht wegen der guten Gesellschaft. Aus irgend einem Grund wollte sie dir helfen, dich retten und du hast sie nicht gelassen. Konnte man dir damals auch nicht übel nehmen."
"Wieso?"
"Alle kennen deine Story."

Stephs Augen sind suchend, ohne die Gegend wahrzunehmen. "Sie auch?"
"Weiss ich nicht. Vermutlich. Vielleicht hats ihr irgendwer erzählt." zuckt Nick die Schultern.



Der Jüngere schaut auf seine Hände und umklammert plötzlich sein Handgelenk. Ein Armband kommt ihm in den Sinn. Ein Glücksbringer? Ein Geschenk von Lyn.
Steph hatte das Armband damals genommen, aber es nie getragen. Es war ein seltsames Geschenk gewesen. Total Random für ihn. Er glaubt, er hat es bei der nächsten Gelegenheit an den Pfandleiher verscherbelt gehabt. Warum war sie so fixiert auf ihn gewesen?
„Du redest nie über dich,“ hatte sie damals gesagt, ihre Stimme leise. Steph hatte sie kaum beachtet, ein kurzes Schulterzucken als Antwort. Sie fragte „Glaubst du, die anderen mögen mich?“ Er hatte sie überrascht angesehen, dann die Augen verdreht. „Was spielt das für ne Rolle?“ hatte er geantwortet und sie hat genickt und gesagt, "Du hast Recht. Solange wir zusammen sind, kann uns keiner was." So viel war Steph damals egal. Er hatte andere Sorgen.



Der Ältere hält einen Moment inne, als ob ihm plötzlich etwas einfällt, während sie langsam weitergehen. Seine Augen verengen sich und er wirft Steph einen langen, nachdenklichen Blick zu.
„Weißt du, was mir gerade einfällt?“ Nick schnippt die Asche von seiner Zigarette. „Keine Ahnung, ob du dich daran erinnern kannst, aber für sie war das der krasseste Moment überhaupt.“
Fragend hebt Steph die Brauen.
Nick neigt den Kopf. „Ja, Mann. Wir waren da alle an diesem heruntergekommenen Steg. Die anderen haben sich voll zugedröhnt, und du warst... nicht drauf an dem Tag, glaub ich. Jedenfalls hast du dich ein bisschen von uns abgesetzt, hast einfach auf den Fluss gestarrt. Und dann kam Lyn zu dir.“
„Okay... und?“




Nick lächelt schwach. „dann hast du was gemacht, was sie umgehauen hat.“
Steph schaut ihn ungläubig an. „Alter, mach's nicht so scheiß spannend!“
Grinsend, als ob er die Szene vor sich sieht sagt Nick. „Du hast gesagt: 'Komm, setz dich. Du musst nicht alleine da drüben stehen.' Das war’s. Nichts Großes, keine tiefen Worte oder so. Du hast sie nur bei dir sitzen lassen und hast ihr von deinem Essen abgegeben.“
„Hä?“ Steph blinzelt verwirrt.
Nick lacht leise, schüttelt den Kopf. „Ich schwör dir, sie hat in dem Moment alles an dir gesehen, was sie je wollte. Du hast sie einfach bei dir sitzen lassen, hast geteilt, ohne nachzudenken.“
Steph erinnert sich vage an den Tag, an den Fluss und daran, dass er mit Lyn dort gesessen hat. Vielleicht. War sie das? Oder jemand anderes?



„Lyn hat mir das erzählt damals, als du nicht dabei warst. Warum auch immer sie mir das anvertraut hat, aber es ist mir jetzt wieder eingefallen.“ Er sortiert kurz seine Gedanken. „Ich weiß noch, wie sie mich zur Seite genommen hat und sie hat so komisch aufgeregt gewirkt. Sie hat mich gefragt, ob ich dachte, dass du... na ja... sie 'raus holen' wirst.“
Steph schaut Nick lange an, bevor er die Frage stellt, die ihm auf der Zunge brennt. „Was soll das bedeuten? Was hast du ihr gesagt?“



„Ich hab ihr die Wahrheit gesagt, Mann. Dass du nie der Typ warst, der Dinge groß durchdacht hat. Ich meinte zu ihr, dass du wahrscheinlich einfach nur da saßt, weil du deine Ruhe wolltest, und dass du ihr Platz gemacht hast, weil du halt kein Arschloch bist.“
Er schüttelt den Kopf. „Ich dachte sie meint, ob du auf sie stehst, mit ihr abhauen willst, irgend sowas. Ich hatte nicht meine hellsten Tage.“



Steph blinzelt, seine Gedanken rasen. „Und wie hat sie reagiert?“
Nick zuckt die Schultern. „Sie war... keine Ahnung, enttäuscht vielleicht. Sie hat einfach nur genickt und nichts mehr dazu gesagt.“
„Und das war’s?“




Nick schnaubt leise. „Alter, am Ende war’s mir doch egal. Ich hab gedacht, sie wird schon irgendwann checken, dass es mit dir nix wird. Vor allem, da du sie nie angegraben hast.“
Stephs Augen schweifen über die Umgebung, unfähig diese weirde Begegnung mit Lyn zusammenzupuzzeln. Im selben Moment fällt ihm etwas ein. Eine Erinnerung, bruchstückhaft, aber klar genug, um ihn innehalten zu lassen. Es war nicht hier, sondern in der Lagerhalle.
„Die Lagerhalle,“ murmelt Steph leise. „Lass uns zurück gehen.“
Nick zieht die Augenbrauen hoch, folgt ihm aber schweigend.



Es dauert nicht lange bis sie sie erreichen. Das große Tor steht halb offen, und das Innere ist dunkel. Sie treten ein, ihre Schritte hallen durch den leeren Raum. Steph bleibt in der Mitte stehen. Er kann sich sehen, jünger, völlig betäubt, mit Lyn in der Ecke der Halle.
Beobachtend lehnt sich Nick gegen eine verrostete Säule. „Erinnerst du dich an etwas?“
Steph schüttelt den Kopf. „Ja. Irgendwas... fuck....“ er ist nicht fähig zu beschreiben was er genau sieht. Er spürt, dass hier etwas sein muss aber es reicht nicht. "Was ist mit dir?"
Nick war immer so, ein Typ, der mehr mitbekam, als er zeigte. Er muss etwas wissen, denkt Steph als er ihn hilfesuchend ansieht. Dieser hebt die Schultern. „Lyn war immer ein bisschen am Rand von allem. Hat dich oft angestarrt, so als... keine Ahnung, Mann. Ich hab nie verstanden, was ihr Deal war.“ Er nimmt eine neue Zigarette aus der Packung und zündet sie an. „In der Nacht damals, als die Cops kamen... da war sie nervös.“



Steph runzelt die Stirn und zieht an seiner Kippe. „Wegen was?“
Nick bläst den Rauch in die Luft und denkt kurz nach. „Keine Ahnung. Sie hatte was dabei, aber was genau, kann ich dir nicht mehr sagen. Ich erinnere mich daran, dass sie dich angesehen hat. Aber du warst halt total weggetreten.“
Die Bilder kommen langsam zurück. „Was hab ich gemacht?“
Ein trockenes Lachen kommt Nick über die Lippen. „Gar nichts. Du hast dagestanden, als die Bullen Lyn mitgenommen haben. Dich haben sie nicht beachtet.“



Steph blinzelt der Rauch seiner Zigarette stieg ihm in die Augen, aber er ignorierte es. „Und danach? Was ist passiert?“
"Weiss ich nicht."
gibt Nick zurück. "Danach war sie weg."
Das muss die Nacht sein die sie meinte, denkt Steph. Er geht in die Hocke, als wäre es zu anstrengend gleichzeitig zu denken und zu stehen. "Verdammt nochmal, kann doch nicht sein, das ich so zu war!" ärgert er sich. "Es muss doch irgendwas geben, was mir sagt, warum sie so verfickt sauer auf mich ist. Weil ich sie nicht verteidigt hab? Versteht sie das unter hängen lassen? Obwohl ich ratzedicht war?"



Beobachtend mustert Nick Steph. "Auf die Gefahr hin, dass dus anders siehst... aber die Zeit war dein absoluter Tiefpunkt. Knapp ein Jahr nach deinem Rauswurf..." er zündet sich die nächste Kippe an und beobachtet ihn aus dem Augenwinkel. „Weißt du, Mann... du redest echt selten über diesen Kram. Aber ich weiß, dass es nicht so einfach ist, wie du es immer darstellst. Die Strasse war krass und hat spuren hinterlassen....“ Steph bleibt stumm, als würde er nicht genau wissen, was er darauf erwidern soll. Etwas kocht in ihm hoch. Es ist nicht nur, was er sagt, sondern wie er es sagt. Als wäre er plötzlich wie der verdammte Jan. „Seit wann redest du son Shit?“



„Was meinst du?“

„Dieses ganze 'hat Spuren hinterlassen'-Gelaber. Das bist doch nicht du, Mann. Seit wann scherst du dich darum, wie's mir geht?“
Nicks Ton wird schärfer. „Leute ändern sich, Steph. Hab vielleicht was gelernt. Und du kannst ja mal versuchen, nicht gleich durchzudrehen, wenn jemand dir helfen will.“
Steph knallt die Fäuste gegen den Boden und richtet sich auf. „Ja, klar! Früher hast du mir gesagt, ich soll n Fick drauf geben. Was ist los mit dir, Nick? Bist du jetzt auch 'n verdammter Therapeut?“
Nicks Blick folgt Steph, der vor ihm auf und ab läuft. „Du machst dich lächerlich, weißt du das? Ich versuch nur, dir zu sagen, dass du immer ausflippst wenn dir jemand helfen will. Lyn war die einzige die dir helfen wollte - richtig helfen. Das hat dir angst gemacht, behaupte ich..“
Steph bleibt stehen und starrt ihn an. „Blödsinn! Warum sollte ich angst haben?“



„Weiß ich nicht, Mann. Vielleicht weil du denkst, dass, wenn dir jemand hilft, du dafür was schulden musst.“
„Was für’n Schwachsinn. Die wollte doch nur… Keine Ahnung, was sie wollte.“

Wieder zieht sich eine Braue in Nicks Stirn. „Du hast nie was mit ihr gehabt. Du wolltest das nicht.“
Steph starrt ihn an, hebt unwissend die Arme. „Vielleicht war ich einfach zu dicht. Aber dass ich nicht wollte? Ich bitte dich.“
Nick, müde lächelnd. „Nee, Steph. Ich glaub nicht, dass es so einfach ist. Du hast mit jeder anderen rumgemacht, wenn du die Chance hattest.“
Steph tritt einen Schritt zurück, als ob die Worte ihm zu nahe kommen. „Hör auf, Nick. Das ist Bullshit. Die wollte… keine Ahnung… die wollte wahrscheinlich nur.... weil… hä?“ Er verstummt und schüttelt den Kopf, als würde der Gedanke keinen Sinn ergeben.
„Weil du dachtest, es hängt ein Preisschild an ihren Taten das du nich begleichen kannst. Dabei war das nicht so aber das war der Deal, den du in deinem Kopf gemacht hast. Klingelt das bei dir?“



Stephs Kiefer spannt sich an. „Das ist nicht… ich hab nicht gedacht…“ Er sieht zur Seite, die Worte hängen in der Luft. „Ich bin kein verdammter Wohlfahrtsfall. Wenn mir jemand hilft, will er was zurück. Und mehr hat ich nicht zu geben Also was hätte sie sonst wollen können?“
Nicks seine Augen ruhig auf Steph gerichtet, sagt er. „Vielleicht hat sie einfach versucht, dir was zu geben, ohne was zu erwarten. Hast du mal daran gedacht?“
Steph schnaubt. „Ich hab nicht drum gebeten, dass sie mir hinterherrennt und mir dieses... Armband gibt und... all diese Scheiße.“



„In deinem Kopf ging’s um den Tauschhandel. Sie gibt was, also musst du was zurückgeben. Wenn du sonst rumgefickt hast, ging das von dir aus. Du hast gegeben und genommen. Aber auf anders herum kommst du irgendwie nicht klar.“ sagt Nickt kopfschüttelnd.
Stephs Augen funkeln wütend, aber auch verwirrt. Er will etwas erwidern. Die Bilder in seinem Kopf spielen sich rückwärts ab, versuchen die Theorie zu widerlegen aber... „Scheiß drauf, Nick.“ Er wendet sich ab.

Nick seufzt und tritt einen Schritt näher. „Ich versteh das. Ich hab auch nie was angenommen, wenn’s nach nem Haken aussah. Immer gedacht, ich komm allein klar, egal wie tief ich sinke.“ Er macht eine kurze Pause, als wäre er selbst überrascht, dass er das erzählt. „Aber das hat mich fast gekillt, weißt du?“



„Was?“
Steph dreht sich langsam um, seine Augen verengt.
„Vor einem Jahr, als du noch gesessen hast. Ich war völlig am Arsch, Mann. Die drei Freunde von dem Kerl den du auseinandergenommen hast, hatten Bock. Bin fast abgekratzt. Lag zwei Wochen im Krankenhaus.“
Steph bleibt still, überrascht.
„Und weißt du, wer mich da rausgeholt hat?“ Nick schaut ihn direkt an. „Nicht ich selbst, das kann ich dir sagen. Es war meine Schwester.“ Er sagt es als wäre das ungewöhnlich.
Steph atmet schwer, aber die Wut in ihm lässt nicht nach. „Und? Was willst du mir jetzt erzählen?
„Mann,“
sagt Nick als hätte er Schwierigkeiten sich richtig auszudrücken, „ich sag dir nur, dass du dir ruhig unter die Arme greifen lassen darfst.“



Sauer starrt Steph ihn an. Alle sind plötzlich so verdammt weise. Jan redet von Meditation und Vergangenheit. Nick davon sich helfen zu lassen und von seiner tollen scheiß Schwester die ihm geholfen hat.
„Weißt DU, was mich richtig ankotzt, Nick?“ Seine Stimme voller unterdrückter Wut. „Ihr alle – du, Jan, sogar Lyn mit ihrer verdrehten Scheiße – ihr tut so, als hättet ihr irgendwas begriffen, was ich nicht peile.“
Nick öffnet den Mund. „Steph...“
„Nein, halt’s Maul!“ Steph knallt mit der Faust gegen die Wand neben ihm. „Das geht mir alles auf den Sack, Mann! Aber was soll ich machen, huh? Was zur Hölle soll ich tun? Soll ich einfach plötzlich aufwachen und sagen: 'Oh, ja klar, jetzt begreif ich alles!' Ich soll mir 'helfen' lassen? Was denkst du mach ich die ganze Zeit?! Ich geh in diese beschissene Klinik, ich geb mir alle verfickte Mühe nicht zum nächsten Dealer zu rennen, Fuck Alter, ich M-e-d-i-t-i-e-r-e damit alles besser wird!!“



Obwohl er den Zorn in der Stimme seines Gegenübers spürt, bleibt Nick cool.
"Also erzähl mir nich, ich würde 'ausflippen' wenn mir jemand helfen will!"
Nick grinst, "Aber genau das tust du. Schon immer."
Außer sich, tritt Steph auf ihn zu, kurz davor seinem Freund eine reinzuhauen. Er ist so wütend, dass ihm die Worte fehlen.
„Ich verlang doch gar nichts von dir, Mann.“ sagt Nick. "Du darfst austicken. Aber du bist auf die falschen Leute sauer."
„Ihr tut so, als wäre das alles so einfach. Als müsste man nur einmal richtig nachdenken und dann ergibt alles plötzlich Sinn. Ich weiß nicht, warum ich so ein dummer Wichser bin. Ich weiß nicht, warum Lyn so abdreht! Und jetzt kommt noch dazu, dass du hier über deinen großen Aha-Moment quatschst.“




Der Ältere seufzt, aber Steph lässt ihm keine Chance, etwas zu sagen.
„Ich hatte keine Schwester, die mich aus dem Dreck gezogen hat. Meine Mutter? Die hat mich verstoßen, Mann. Und jetzt dreh ich mich dauernd nur noch im Kreis, und alle um mich herum scheinen 'nen verdammten Plan zu haben, nur ich nicht!“Stephs Brust hebt und senkt sich schnell. Die Wut brodelt immer weiter, ein wildes Feuer, das er nicht mehr unter Kontrolle hat.
Nick wischt sich beiläufig Stephs Spucke aus dem Gesicht. „Steph, chill...“



„Ihr macht mich alle fertig, Mann! Ihr erzählt mir, ich soll rausfinden, was bei mir los ist, aber wie soll das gehen, wenn ich nicht mal weiß, wo ich anfangen soll?“

Nick, still, lässt ihn seine Wut rauslassen, aber irgendwann hebt er die Hand, um ihn zu stoppen. Er schaut Steph an, ohne zu blinzeln, sein Blick fest, aber nicht wertend. „Ich hab dir nie 'nen Scheiß darüber erzählt, dass alles irgendwie Sinn macht. Weil, ganz ehrlich, das tut es nicht. Es geht hier nicht darum, dass du alles kapierst. Manchmal ist alles einfach nur Scheiße, und das ist okay. Du denkst viel zu viel darüber nach, was du nicht checkst. Du bist nicht dumm, Mann. Du bist nur festgefahren, weil du dir immer wieder dieselben Fragen stellst.“ Steph knurrt leise, aber Nick fährt unbeirrt fort. „Du hast mich, Mann. Ich hab dich nie hängen lassen, oder? Du musst nicht alles allein auf die Kette kriegen. Aber fällt dir nicht selbst auf, dass du immer alles alleine machen wolltest?“



Steph starrt ihn an, seine Wut weicht langsam einem dumpfen Frust. „Auf der Straße ist man eben alleine. Du solltest das wissen..“
Nick lacht trocken, seine Stimme tief und rau von zu vielen Kippen. „Ich hab aufgehört, mich selbst zu verarschen. Hör auf über all nach einer Falle zu suchen. Du bist nicht mehr auf der Strasse...“
Steph lehnt sich an die Mauer, seine Hände sind nicht mehr zu Fäusten geballt, aber die Anspannung in ihm bleibt. „Ich hab gedacht, ich komm nie wieder zurück in diese Scheiße in der ich nicht mehr weiss was ich machen soll. Es hiess clean werden regelt alles, aber nichts regelt sich Es wird immer nur mehr und schlimmer.“



„Was, wenn es nicht darum geht, alles zu fixen? Wir beide wissen, dass das Leben kein verdammtes Puzzle ist, bei dem du einfach die Teile zusammenlegst und am Ende ist alles gut.“
„Und was? Soll ich einfach hoffen, dass sich irgendwas ändert?“

Nick schnaubt. „Nicht hoffen... zu lassen. Und zwar nicht nur bis zu dem Punkt an dem du glaubst es alleine weiter zu schaffen, sondern bis ans Ende...“



Tief atmet Steph ein, seine Gedanken rasen, aber Nicks Worte dringen langsam zu ihm durch.
„Was soll ich denn noch... was soll ich tun?“ fragt er schließlich, stockend.
"Keine Ahnung wie ich dir das noch sagen soll. damit dus raffst.... ...." Nick zuckt mit den Schultern, dann grinst er schief. „Wenn du irgendwann an der nächsten Mauer sitzt und nicht weiter weißt, komm ich vorbei und geb dir 'ne Kippe. Ganz einfach.“
Steph kann sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, auch wenn er noch weit davon entfernt ist, zu verstehen. Aber der Gedanke muntert ihn auf. „Du bist echt 'ne Scheiß Hilfe.“
Nick lacht leise und klopft ihm auf die Schulter. „Klar, ich weiß.“




>>> Steph geht nach Sulani - Clemens Ferienhütte >>>


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